Überschaubar: der Landesverband Rheinland-Pfalz von „Die Rechte“ am 15. März in Koblenz
Fabian Boist

Ohne Basis, ohne Vorsitzenden

„Die Rechte“ Rheinland-Pfalz

Im Dezember 2013 gründete sich in Rheinland-Pfalz (RLP) ein Landesverband der Partei „Die Rechte“ (DR). Somit existieren neben der NPD und der vor kurzem gegründeten Partei „Der Dritte Weg“ (vgl. LOTTA #54) nun drei neonazistische Parteien in RLP. Neonazis scheinen hier zukünftig getrennte Wege zu gehen.

Im Dezember 2013 gründete sich in Rheinland-Pfalz (RLP) ein Landesverband der Partei „Die Rechte“ (DR). Somit existieren neben der NPD und der vor kurzem gegründeten Partei „Der Dritte Weg“ (vgl. LOTTA #54) nun drei neonazistische Parteien in RLP. Neonazis scheinen hier zukünftig getrennte Wege zu gehen.

Zwischen der ersten Ankündigung und der Gründung eines rheinland-pfälzischen Landesverbandes der Die Rechte lagen mehrere Monate. Grund waren interne Streitigkeiten. Ursprünglich sollte Saskia S. Landesvorsitzende, Oliver Kulik ihr Stellvertreter werden. Dazu kam es aber nicht. Weil S. durch Aussagen Kameraden belastet haben soll, beantragte Kulik zusammen mit dem Hammer DR-Kreisvorsitzenden Sascha Krolzig ihren Parteiausschluss. „Gegen einen ‘freien Kameraden’ (…) sagt man nicht aus“, stellte Kulik auf Facebook klar. Am 28. Dezember 2013 wurde der Landesverband schließlich in Bingen gegründet – mit Oliver Kulik an der Spitze, Michael Idir als Stellvertreter und Florian Grabowski als Beisitzer im Landesvorstand.

Der Landesverband

Oliver Kulik tauchte erst im letzten Jahr in Rheinland-Pfalz auf. Der ehemalige Berliner war schon in den frühen 1990ern in Neonazi-Strukturen um Arnulf Priem und Christian Worch involviert. Als ihm damals eine Haftstrafe drohte, zog er sich zurück. Bei der Gründung der Partei DR konnte Worch ihn als Richter des Parteischiedsgerichts gewinnen. Michael Idir war vor seinen DR-Beitritt Mitglied der NPD gewesen. 2006 kandidierte er für die NPD in Frankfurt, 2009 trat er aus der Partei aus und begab sich mit dem Netzwerk freie Patrioten für Natur, Umwelt und Region in Konkurrenz zur NPD in Trier. Auch Florian Grabowski aus Wöllstein bei Alzey kann auf Erfahrungen in der Szene zurückblicken. Er kommt aus dem Umfeld der „Freien Kameradschaften“ und war Aktivist der Initiative Süd-West und der Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen-Kreuznach. Bei der DR-Gründung war außerdem Daniel Strunk aus Simmern im Hunsrück anwesend. Er ist Sänger der rheinland-pfälzischen Rechtsrockband Breakdown (vgl. Lotta #50, S. 26) und trat schon in den letzten Jahren auf Veranstaltungen der DR in Erscheinung. Den Namen der einzigen bei der Gründung anwesenden Frau teilte die DR nicht mit. Sie soll Richterin des Landesschiedsgerichts sein. Bei Betrachtung der Akteur_innen fällt auf, dass sich der Landesverband als Querschnitt durch die rheinland-pfälzische Neonazi-Szene darstellt. Die Mitglieder kommen aus unterschiedlichen Regionen, vor allem aber aus jenen, in denen die NPD auffallend schwach oder gar nicht präsent ist.

Auf der Straße

Die erste Veranstaltung des Landesverbands fand am 15. März in Koblenz statt. Zu einer Demonstration „gegen Repression und Behördenwillkür“ erschienen rund 150 Neonazis. Als Anlass diente der Prozess gegen das Aktionsbüro Mittelrhein vor dem Landgericht Koblenz. Auffällig: Nicht nur einen großen Teil der Infrastruktur wie Lautsprecherwagen und einige Ordner stellten die nordrhein-westfälischen „Parteifreunde“, auch die Mehrzahl der Teilnehmer_innen reiste aus dem benachbarten Bundesland an. Aus Rheinland-Pfalz kamen nur wenige Neonazis nach Koblenz. Die NPD RLP sowie NPD-nahe Kameradschaften aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland erschienen überhaupt nicht – und das, obwohl die DR in Koblenz „über die Parteigrenzen hinweg“ marschieren wollte. Für den 12. April kündigte die Partei einen zweiten Aufmarsch in Worms an, zu dem Mitglieder der NPD explizit eingeladen wurden.

Auf Kollisionskurs mit der NPD

Aber ist die DR in Rheinland-Pfalz tatsächlich an einem „kameradschaftlichen“ Verhältnis zur NPD interessiert oder stecken hinter den Annäherungsversuchen andere Gründe? Einer Kooperation steht bei näherer Betrachtung einiges im Wege. Beobachtet man das Handeln der DR, entsteht der Eindruck, die Partei wolle sich provokativ von der NPD abgrenzen. Auf der Demonstration in Koblenz trat unter anderem Dieter Riefling als Redner auf. Seine Einladung kam de facto einer Ausladung der NPD RLP gleich. Stellvertretende Landesvorsitzende der NPD ist Ricarda Riefling, einst Ehefrau von Dieter Riefling. Mittlerweile lebt sie in Pirmasens mit dem NPD-Landesvorsitzenden Markus Walter zusammen. Sowohl zwischen den Rieflings als auch zwischen Walter und Dieter Riefling kam es nach der Trennung zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen. Ricarda Riefling berichtete öffentlich von Misshandlungen durch ihren Mann. Später soll sie versäumt haben, Dieter Rieflings Post vom Amtsgericht an ihn weiterzuleiten, was zu einer Gefängnisstrafe für ihren Ex-Gatten führte. Es ist unwahrscheinlich, dass die Streitigkeiten zwischen rheinland-pfälzischen NPD-Kadern und Dieter Riefling an Kulik vorbeigegangen sind.

Der Ruf nach gemeinsamer Teilnahme am Aufmarsch in Koblenz lässt sich somit durchaus als Provokation verstehen. Auch die Personalie Michael Idir, der in Trier den Versuch unternahm, eine Konkurrenz zur NPD aufzubauen, dürfte einer Kooperation im Wege stehen.

Anstatt für den Aufmarsch in Worms zu werben, kündigte die NPD für den 12. April eine eigene Aktion in Worms an. Dort versucht sie derzeit Strukturen aufzubauen, um zur Kommunalwahl anzutreten. In Worms aufmarschieren zu wollen und hierzu auch noch NPD-Anhänger_innen einzuladen, kann erneut als Provokation der DR gedeutet werden. Denkbar ist, dass die DR darauf setzte, dass NPD-Anhänger_innen mitmarschieren würden und es zum Streit zwischen diesen und dem NPD-Landesvorstand käme.

Provokant erscheint ebenso die Aufnahme von Ina G. alias „Kitty Blair“ in den rheinland-pfälzischen Landesverband von DR. Die ehemalige Pornodarstellerin bewegte sich seit Ende letzten Jahres im Umfeld diverser NPD-Kreisverbände. Ihre Vergangenheit war in der Szene umstritten, Vorwürfe der „Rassenschande“ wurden erhoben. Mitte März erklärte der NPD-Bundesvorstand daraufhin G. zur „unerwünschten Person“. Wenig später bemühte sich die rheinland-pfälzische DR um ihren Beitritt, was in der Mitgliederschaft erwartungsgemäß Widerspruch hervorrief. Parteichef Worch versuchte den Streit zu entschärfen und sprach sich dafür aus, den nächsten DR-Bundesparteitag über eine Mitgliedschaft von G. entscheiden zu lassen. Kulik jedoch vertrat den Standpunkt, dass der Bundesparteitag laut Satzung nicht zuständig sei, da die Entscheidung über neue Mitglieder den Landesverbänden obliege. Verärgert trat er aus der Partei aus: „Ich habe das Amt des Landesvorsitzenden nicht übernommen, um Verstöße gegen unsere (...) Satzung zu dulden“, teilte er am 4. April mit. Und letztendlich sagte die Partei dann auch noch den Aufmarsch in Worms ab.

Was bleibt?

Bislang mangelt es dem neuen DR-Landesverband an Strukturen und vor allem an einer personellen Basis. In Koblenz ist es ihm durch eine starke Mobilisierung von Neonazis aus NRW gelungen, dieses Problem zu verdecken, was aber am Anlass und Thema der Aktion lag, demnach also nicht ohne weiteres wiederholbar ist. Ob und wie der Landesverband ohne Kulik weitermachen wird, ist unklar. Zumindest vorerst hat Idir die Parteigeschäfte übernommen.

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