"Oidoxie" bei einem Auftritt im Juli 2012 in Gera.

Propagandisten des Rechtsterrorismus

Die Dortmunder Band "Oidoxie"

„Oidoxie stellen ihr neues 15 Jahre Album erstmals auf dem Eichsfeldtag vor“, heißt es in der Ankündigung für das Festival, das am 28. Mai 2016 im thüringischen Leinefelde stattfinden soll. Den Organisator_innen um Thorsten Heise ist aber ein kleiner Fehler unterlaufen: Tatsächlich feiert „Oidoxie“ in diesem Jahr bereits ihr 20-jähriges Bandjubiläum.

Oidoxie gehört damit zu den dienstältesten noch aktiven Rechtsrock-Bands. 2006 veröffentlichte die Band, deren Konstante ihr Sänger Marko Gottschalk ist, zum 10-jährigen Jubiläum auf Heises Label die CD „Terrormachine“. Im Titelsong singen Oidoxie „We want our cities clean. This is the terrormachine, this is Combat 18“. Kaum eine andere deutsche Band bezieht sich derart stark auf Combat 18 (C18) – ausgenommen die eng mit Oidoxie verbundenen Bands Weisse Wölfe, Straftat und Strafmass. C18 wurde in der Szene als militanter Arm von Blood & Honour (B&H) begriffen. Unter diesem Label wurden Terrorkonzepte des „leaderless resistance“ propagiert, die sich wie Vorbilder der NSU-Taten lesen lassen.

Es ist bekannt, dass viele Unterstützungsleistungen für das Kerntrio des NSU vor allem aus dem Netzwerk von Blood & Honour heraus organisierten wurden. Im Fokus des Interesses stehen bisher die B&H-Akteure aus Sachsen und Thüringen. Rund um die Dortmunder Band Oidoxie existierten aber beste Verbindungen in die internationalen B&H-Netzwerke. Die Band, beziehungsweise deren Mitglieder, waren nicht Teil der 2000 verbotenen deutschen B&H-Sektion, sie waren jedoch eingebunden in einen speziellen Teil des internationalen Netzwerkes, das unter dem Namen Blood&Honour/C18 firmierte.

Das internationale Netzwerk von B&H/C18

Marko Gottschalk knüpfte schon früh Kontakte nach Skandinavien. Beim ersten Auftritt der damals mit Oidoxie personell weitestgehend identischen Band Weisse Wölfe auf internationaler Bühne am 24. Juni 2000 im schwedischen Klippan dürfte er als Bandmitglied dabei gewesen sein. Organisiert wurde das Konzert damals von der einflussreichen Division Blood & Honour Scandinavia. Ihre Mitglieder waren in Terrortaten wie Bombenanschläge, aber auch in die Entwicklung von Terrorkonzepten involviert.

Eine zentrale Person war Erik Nilsen. Unter dem Pseudonym Max Hammer veröffentlichte er 1997 die für B&H programmatische Schrift „The Way Forward“, welche 1998 auch ins Deutsche übersetzt wurde. Die Broschüre charakterisierte C18 als „bewaffnete[n] Arm der Blood & Honour-Bewegung“. Nielsen präzisierte: „Ich persönlich meine mit ‚bewaffnetem Flügel’ die Armee von B&H. Es gibt mehrere Wege, Angst und Schrecken bei unseren Gegnern zu verbreiten. Einschüchtern, drohen und schlagen haben für die roten Bastarde über Jahre hinweg Tag für Tag geholfen. Glaubst Du nicht auch, dass die Zeit der Rache längst überfällig ist?“ Weiterhin schrieb er: „Die Zeit des Geredes ist wirklich vorbei. Wir haben ein Stadium erreicht, in der jegliche Form der Aktion der Inaktivität vorzuziehen ist.“ Auch das „Blood & Honour Field Manuel“ stammt aus Nielsens Feder.

Im Rahmen des NSU-Untersuchungsausschusses wurde bekannt, dass Gottschalk bereits 2003 die Nummer von Erik Nielsen in seinem Handy abgespeichert hatte. Gottschalk stand auch in persönlichem Kontakt zum englischen C18-Aktivisten Mark Atkinson, der das den rechten Terror propagierende Fanzine Stormer herausbrachte. Atkinson bat Gottschalk in einer SMS, ihm einen Kontakt zum Macher der deutschen Fassung des Stormer herzustellen, von der Ende 2002 eine Ausgabe erschien.

Während der NRW-Verfassungsschutz noch immer behauptet, es habe nach 2000 keine Strukturen von B&H in NRW gegeben und bei Combat 18 habe es sich ausschließlich um ein „Marketing-Label“ gehandelt, traten Oidoxie sowohl im nahen Belgien als auch im fernen Moskau für B&H/C18 auf. Keine deutsche Band trat zwischen 2000 und 2010 häufiger auf Konzerten des internationalen B&H-Netzwerkes auf als Oidoxie. Gerade nach Belgien bestanden beste Kontakte, die dem VS NRW nicht verborgen geblieben sein können, stammte doch dessen V-Mann Sebastian Seemann aus dem Umfeld von Oidoxie. Er war nicht nur Organisator von B&H-Konzerten in Belgien, sondern lebte zeitweise auch bei einem wichtigen Funktionär von B&H/C18 Flandern. Jouri van der Plas war der Kopf der rechtsterroristischen Gruppe BBET, die Waffen hortete und Mordanschläge plante. Im September 2006 wurde sie von der Polizei zerschlagen. (siehe Lotta #60, S. 58-59) Über Belgien sollen auch Waffen für eine Dortmunder C18-Zelle besorgt worden sein.

Die Dortmunder C18-Zelle

Seemann berichtete der Polizei bereits im November 2011 von der Gründung einer C18-Zelle in Dortmund, die sich, ähnlich wie der NSU, an den „Turner Tagebücher“ orientiert habe. Aus der bisherigen Beweisaufnahme des NSU-Untersuchungsausschusses ist zu schließen, dass die Polizei dem Hinweis auf diese Zelle kaum nachging. Dass die Zelle existierte, dafür spricht auch das Verhalten des Dortmunder Neonazis Robin Schmiemann, der am 4. März im Untersuchungsausschuss auf die Frage, ob er Teil der Dortmunder C18-Zelle gewesen sei, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte. Sein Anwalt Hendrik Schnelle führte aus, dass sich sein Mandant durch eine Antwort selbst belasten könnte.

Dies kann nur dahingehend interpretiert werden, dass die C18-Zelle nicht nur existierte, sondern auch kriminelle bzw. terroristische Ziele verfolgte. Nach Recherchen des Journalisten David Schraven „stellte die Dortmunder Combat 18-Gruppe ihre Aktivitäten im Frühjahr 2006 ein“. Was mag der Hintergrund der Auflösung der Zelle gewesen sein? Unterstützten Zellen-Mitglieder aus Dortmund den NSU bei dem Mord an Mehmet Kubaşık am 4. April 2006? Antworten auf diese Fragen gibt es bislang nicht.

Die Dortmund-Kassel-Connection

Nur zwei Tage nach dem Mord an Kubaşık wurde am 6. April 2006 Halit Yozgat in Kassel erschossen. Zu diesem Zeitpunkt waren mehrere Kasseler Neonazis Mitglieder der Oidoxie Streetfighting Crew, etwa Danyel Huth, Stanley Röske und Michel Friedrich. Die Kasseler firmierten zeitweise auch als Sturm 18. Auf dem Cover der 2007 erschienenen CD „Steh wieder auf“ des Oidoxie-Projektes Straftat ist neben Gottschalk der Kasseler Röske zu sehen, beide tragen ein T-Shirt der Oidoxie Streetfighting Crew. Auch auf der 2009 erschienenen CD „Hail C18“ von Straftat werden die Kontakte sichtbar: Im Booklet der CD werden Grüße an „Krebs, Stanley und die Kasseler“ gerichtet. Haben sich die Kasseler Neonazis ebenfalls als Combat 18 verstanden? Dieser Frage sollten die Ausschüsse in Hessen und NRW nachgehen.

Im Rahmen des NSU-Untersuchungsausschusses NRW konnten die engen Verbindungen von Gottschalk und dem Personenkreis um Oidoxie zu internationalen Propagandisten des Rechtsterrorismus nochmals belegt werden. Sichtbar wurde dabei das „Versagen“ des Verfassungsschutzes, der mindestens einen V-Mann in der C18-Zelle hatte, aber dessen Vertreter_innen noch heute die Existenz der Zelle leugnen und die Bedeutung von Combat 18 herunterspielen.

Weiterlesen

Ein Bild der Probsteigasse
NSU Watch