„Uns geht es nicht um die Diskreditierung des Sports"

Interview mit „Runter von der Matte. Kein Handshake mit Nazis“

Im Sommer 2017 trat die Kampagne „Runter von der Matte. Kein Handshake mit Nazis“ an die Öffentlichkeit, um über extrem Rechte Strukturen und Aktivitäten im Bereich des Kampfsports zu informieren. Wir sprachen mit Vertreter\_innen der Kampagne über Möglichkeiten des Umgangs in Vereinen, Gyms und Veranstaltungen als auch über antifaschistische Perspektiven.

Im Sommer 2017 trat die Kampagne „Runter von der Matte. Kein Handshake mit Nazis“ an die Öffentlichkeit, um über extrem Rechte Strukturen und Aktivitäten im Bereich des Kampfsports zu informieren. Wir sprachen mit Vertreter_innen der Kampagne über Möglichkeiten des Umgangs in Vereinen, Gyms und Veranstaltungen als auch über antifaschistische Perspektiven.

**Bitte stellt euch doch einmal kurz vor. Warum habt ihr euch gegründet?**Unsere Kampagne entstand aus einem persönlichen Bedürfnis, Neonazis im Kampf-und Kraftsport etwas entgegenzusetzen. Vor allem, weil wir selbst Kampfsportler_innen und Kampfsportbegeisterte sind und uns dadurch oft im Gym oder auf Veranstaltungen mit Neonazis und deren Sympathisant_innen konfrontiert sehen, beziehungsweise weil die Veranstalter_innen und Gymbesitzer_innen nicht konsequent mit dem Thema umgehen. Daraus ist die Idee entstanden, ein verständlich geschriebenes Plakat aufzusetzen, das kurz und knapp aktuelle rechte Kampfsportlabels aufführt und erklärt, und auf das sich Verantwortliche im Zweifelsfall bei ihren Veranstaltungen beziehen können. Tja, und aus dem Plakat entstand dann eine ganze Kampagne.

Nach wie vor werden die meisten extrem rechten Kampfsportler_innen in „normalen“ Vereinen und Gyms trainieren und bei „unpolitischen“ Wettkämpfen antreten. Wie ist eure Erfahrung mit dem dortigen Umgang?

Es ist wichtig, Veranstalter_innen und Trainer_innen ihre Verantwortung bewusst zu machen. Viele sehen nur den Sport und vergessen, wen sie da trainieren oder wen sie sich in den Ring holen. Besonders Trainer_innen reagieren oft trotzig, da sie ihrem Team gegenüber loyal sein möchten und damit etwaige Neonazis in Schutz nehmen. Bei Veranstalter_innen ist das einfacher. Da ist der öffentliche Druck größer, und natürlich geht’s auch um Geld und Reputation. Zudem sind dort unterschiedlichste Menschen, beispielsweise aus anderen Gyms, anzutreffen, die auch keine Lust auf rechte Kampfsportler_innen haben. Dadurch kann ein Diskurs entstehen, den wir als Kampagne durch Argumente und Wissen versuchen wollen zu unterstützen.

Was sollten Vereine und Veranstalter_innen also tun, um Nazis keine Bühne zu bieten?

Zuallererst sollten sie sich informieren. Mittlerweile sponsern einige rechte Labels Veranstaltungen oder Kampfsportler_innen, da ist es wichtig, wachsam zu sein und zu intervenieren. Außerdem werden durch den Kauf dieser rechten Modemarken auch rechte Strukturen unterstützt. Trainer_innen und Kampfsportveranstalter_innen müssen verstehen, worum es Neonazis in diesem Bereich geht, nämlich nicht um den Wettkampf, sondern um den Ausbau der Wehrhaftigkeit. Ihnen eine Bühne zu bieten, bedeutet auch, ihnen ein Rekrutierungsfeld zu überlassen. Denn durch sportliche Ästhetik lassen sich heutzutage mehr junge Menschen mitreißen als etwa von rechten Konzerten. Kampfsportler_innen und ihre Vereinsstrukturen sollten sich vernetzen, um sich gemeinsam von Neonazis im Sport abgrenzen zu können.

Die Kampagne richtet sich auch an Vereine, Trainer_innen und Wettkampfveranstalter_innen. Gab es dort Reaktionen?

Klar! Viele sehen in der Kampagne einen Schritt in die richtige Richtung und verstehen, dass es uns nicht um die Diskreditierung des Sports geht oder darum, ohne Sinn und Verstand Personen anzukreiden. Wir wissen schließlich selbst, wie schwer es sein kann, gute Vereine zu finden, in denen keine Neonazis trainieren. Vor allem in der Provinz, wo du oft keine Wahl hast. Bundesweit haben Gyms unsere Plakate zu rechten Kampfsportmarken bestellt. Das war ein gutes Feedback und bestärkt uns in unserer Arbeit. Im besten Fall, so hoffen wir, wird die Kampagne zum Selbstläufer: Veranstalter_innen und Gyms verwenden selbstständig unser Logo. Der Anstoß unsererseits war wichtig, die erfolgreiche Umsetzung kann aber nur durch eine weitreichende Beteiligung geschehen.

Die Nazi-Kampfsport-Szene ist international eng vernetzt, und in vielen europäischen Ländern gibt es Kampfsport-Labels und Events. Wisst Ihr von antifaschistischen Protesten und Kampagnen wie eurer, die sich mit dem Thema auseinandersetzen?

Naja, antifaschistische Kampfsport-Turniere haben sich in den letzten Jahren in Tschechien, Polen, Italien, Spanien, Griechenland und auch in Deutschland etabliert. Dadurch werden Räume geschaffen, in denen sich die Leute wohl und sicher fühlen. Wir möchten mit unserer Kampagne aber vor allem die großen Events erreichen. Anknüpfungspunkte gibt es immer wieder, zum Beispiel bei der „No Compromise Championship“ vor ein paar Jahren, die von sich aus rechte Kämpfer_innen und Marken wie „Walhall Athletik“ von ihrem Event ausgeschlossen haben. Durch den Slogan „love MMA — hate fascim“ gab es eine klare Positionierung, die wir bei anderen Events oft vermissen. Toll finden wir auch das neu gegründete Label „Less Talk“, das Kampfsportartikel mit antifaschistischen Inhalten vertreibt.
Unser Hauptanliegen war es, ein Bewusstsein für die Thematik zu schaffen. Unser Ziel ist es aber, Neonazis gänzlich den öffentlichen Raum im Gym oder im Ring zu nehmen. Ein großer Schritt wäre es, wenn sich die Veranstalter_innen von Events wie „We love MMA“ verhalten und beispielsweise unser Logo auf ihre Plakate drucken lassen oder sich anderweitig klar positionieren würden.

Das Thema Kampfsport hat in den letzten Jahren an Präsenz innerhalb antifaschistischer Strukturen zugenommen. Wie kann ein emanzipatorischer Umgang mit dem Thema aussehen?

Kampfsport im Allgemeinen ist in unserer Gesellschaft ein zunehmender Trend. Vor allem „Mixed Martial Arts“ (MMA) versucht seit Jahren aus der Schmuddel-Ecke rauszukommen. Übertriebener Körperkult, Mackertum und der scheinbar niemals endende Drang nach Leistungssteigerung gehen damit einher und sollten auch in unseren Zusammenhängen reflektiert werden. Zu schnell entstehen Situationen, wo sich manche abgehängt fühlen oder andere unterfordert. Wir sollten uns aber auch bewusst sein, dass Sport ein Ventil für den Alltag ist und damit nicht unbedingt vorrangig der politischen Bildung dienen muss. Trotzdem ist es kein Raum frei von gesellschaftspolitischen Zwängen, in dem beispielsweise stets heterosexistische Geschlechterbilder oder stereotype Gesundheitsbilder reproduziert werden. Durch positive Aspekte kann Kampfsport auch durch uns ein anderes Gesicht bekommen. Unsere Erfahrung ist, dass Kampfsportarten wie „Muay Thai“ oder MMA sehr viel Selbstbeherrschung und Konzentration abverlangen, um die Partner_in oder sich selbst nicht unnötig im Training zu verletzen. Den Wettkampf an sich begreifen wir als weiterführende Trainingsform, in der ich meinem Gegner auch Respekt zolle und einen Raum gebe, um mit mir fair und nach Regeln zu kämpfen. Sport bedeutet für uns Fairness, Respekt, gegenseitige Anerkennung und Unterstützung. Allein deswegen ist es für uns nicht vereinbar, mit Neonazis, Rassist_innen und anderen Menschenfeinden im Ring zu stehen oder zu trainieren, da sie mit ihrer Ideologie per se diese Werte nicht teilen.