Feindbild antirassistische Ultras

Rechte MSV-Fans und Neonazis machen mobil

Am 9. Oktober 2013 stürmte im Anschluss an das Heimspiel gegen den 1. FC Saarbrücken eine etwa 20-köpfige Gruppe auf den MSV-Treffpunkt am Fan-Container zu und attackierte dort gezielt Mitglieder der antirassistischen Ultragruppierung „Kohorte Duisburg“. Laut Augenzeug\_innen wurden mehrere Personen verletzt: ausgeschlagene Zähne, angebrochene Rippen und Prellungen. Auslöser der Gewalt soll ein Spruchband gewesen sein, mit dem sich die Ultras von „Kohorte Duisburg“ mit den „Ultras Braunschweig“ solidarisiert hatten.

Am 9. Oktober 2013 stürmte im Anschluss an das Heimspiel gegen den 1. FC Saarbrücken eine etwa 20-köpfige Gruppe auf den MSV-Treffpunkt am Fan-Container zu und attackierte dort gezielt Mitglieder der antirassistischen Ultragruppierung „Kohorte Duisburg“. Laut Augenzeug_innen wurden mehrere Personen verletzt: ausgeschlagene Zähne, angebrochene Rippen und Prellungen. Auslöser der Gewalt soll ein Spruchband gewesen sein, mit dem sich die Ultras von „Kohorte Duisburg“ mit den „Ultras Braunschweig“ solidarisiert hatten.

Während die Kohorte-Ultras den Angriff Hooligans der Division Duisburg, der Proud Generation Duisburg (PGDU) und organisierten Neonazis des Nationalen Widerstand Duisburg und aus Dortmund zuordneten und ihn damit in einen neonazistischen Kontext stellten, schloss der MSV-Sicherheitsbeauftragte, Michael Meier, einen politischen Hintergrund der Tat aus. „Es ist zu einfach, die Situation auf einen politischen Konflikt zu reduzieren. Die Auslöser des Streits sind in anderen Bereichen zu suchen“, behauptete er.

Politisches Vorspiel

Dabei wurde gegen die antirassistischen Kohorte-Ultras schon seit längerem von rechten MSV-Fans politisch Stimmung gemacht, wie ein am 24. August 2013 hochgehaltenes Transparent beim Heimspiel gegen Chemnitz verdeutlicht. „Gestern noch Rentner jagen, heute Shirts der Kohorte tragen“, lautet die Botschaft, mit der die antirassistischen Ultras nur kurze Zeit nach Auseinandersetzungen am Rande einer Bürger_innenversammlung zu dem von Roma bewohnten Haus „In den Peschen 3-5“ in Duisburg-Rheinhausen (vgl. LOTTA # 54) als vermeintliche Täter_innen beschuldigt wurden. Knappe 14 Tage später veröffentlichte das neonazistische Infoportal Dortmund Echo einen „Zeugenaufruf zum antideutschen Überfall in den Peschen“, mit dem die Neonazis zur Einsendung von persönlichen Daten von Ultras der Kohorte aufriefen. „Gesucht werden Anhänger des MSV Duisburg, die Hinweise auf die Namen (auch Spitznamen oder sonstige Details) von Anhängern der Kohorte Duisburg geben können“, heißt es in dem neonazistischen „Fahndungsaufruf“, der später auch auf der Homepage des Nationalen Widerstands Duisburg veröffentlicht wurde und die Vernetzung der beiden Neonazi-Szenen dokumentiert. Dass diese Verbindung bis in die Fußball-Szene hineinreicht, räumt auch die NRW-Landesregierung in der Beantwortung der kleinen Anfrage der Piratenpartei zu dem Angriff auf die Kohorte-Ultras ein. Darin heißt es, dass der Polizei Duisburg Erkenntnisse vorlägen, dass ein Mitglied der Division Duisburg in der am 23. August 2012 verbotenen Vereinigung Nationaler Widerstand Dortmund organisiert war und eine weitere Person sowohl in der Gruppe Nationaler Widerstand Duisburg als auch in der MSV-Fangruppe Barrachos Duisburg aktiv ist.

Kontakte zwischen der Duisburger und Dortmunder Neonazi-Szene werden seit Jahren über die Teilnahme an „Nationalen Fußballturnieren“ gepflegt, an denen in den letzten Jahren auch immer wieder die MSV-Hooligans der Division Duisburg teilgenommen haben. Im Sommer 2010 nahmen sie unter ihrem Gruppennamen als Team am Fußballturnier des Nationalen Widerstands Duisburg in Oberhausen teil, ein Jahr später am „Nationalen Fußballturnier“ in Mettmann und 2012 am „Svastika Hallen-Cup“ in Karlsruhe. Ein neonazistisches Weltbild spiegelt sich auch in einem von der Division getragenen T-Shirt-Motiv wider. Die Aufschrift „Ruhm und Ehre“ ist in Kombination mit dem SS-Totenkopf abgebildet. Dies widerspricht dem „unpolitischen“ Image, das die Gruppierung über die eigene Homepage zu transportieren versucht. „Boxing-Club seit 2004“ und „Taten sprechen mehr als Worte“, heißt es auf der Startseite der Gruppe, die in der Vergangenheit auch durch das Anstimmen des antiziganistischen Rufes „Zick, Zack, Zigeunerpack“ und die neonazistische Parole „Hasta la vista Antifascista“ beim DFB-Pokalspiel am 30. Juli 2011 in Babelsberg in die Schlagzeilen geraten war. Laut Augenzeug_innen soll auch ein Angriff auf ein Konzert der antifaschistischen Frankfurter Oi- und Punk-Band Stage Bottles im Duisburger Djäzz auf das Konto der Division gehen, der am Abend der Zweitliga-Partie MSV gegen St. Pauli am 17. Februar 2012 stattfand. Auch für das Zeigen des Hitlergrußes beim Pokal-Auswärtsspiel in Halle im August 2012 war nach Angaben der Strafbehörden ein Mitglied der Division verantwortlich.

Unsere Stadt, unsere Regeln

Vor diesem Hintergrund sagt es einiges über den Zustand der MSV-Fanszene aus, dass die Division Duisburg im September 2013 die Kohorte-Ultras zu einem „runden Tischgespräch“ einlud und ihnen dabei „zur Verhinderung einer weiteren Eskalation“ nahelegte, „jegliches Engagement gegen Rassismus“ zu unterlassen. Als Zugeständnis gegenüber der „Drohkulisse“ verzichtete die Kohorte daraufhin auf einen eigenen Beitrag im Rahmen der „Football against Racism in Europe“-Woche, „um erst gar keinen neuen Diskussionsstoff zu liefern.“ Als Missachtung des verordneten Verbots, sich gegen Rassismus zu engagieren, wurde den Kohorte-Ultras beim Heimspiel gegen Saarbrücken das Zeigens des Spruchbands: „Täter-Opfer-Rolle vertauscht? Schäm dich Eintracht Braunschweig” ausgelegt, mit dem sich die antirassistischen MSV-Ultras mit den antirassistischen Eintracht-Ultras solidarisierten. Diese hatten ein Auftrittsverbot erhalten, nachdem sie bei einem Auswärtsspiel von Hooligans angegriffen worden waren. Dass der Angriff auf die Kohorte-Ultras in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zeigen des Spruchbands erfolgte, räumt eine Stellungsnahme der PGDU ein. „Da die Gemüter durch das Zeigen dieses Banners und dem damit verbundenen Wortbruch des runden Tisches auch bei anderen Gruppen erhitzt waren, entluden sich nach dem Spiel die Emotionen in Form einer kurzen Auseinandersetzung zwischen der Kohorte und Teilen anderer Gruppierungen“, schildert sie ihre Sicht der Umstände, die zu dem Angriff geführt hätten, weist eine direkte eigene Beteiligung jedoch von sich. „Wir als PGDU beteiligten uns ausdrücklich nicht an dieser Auseinandersetzung“, heißt es in der Stellungsnahme, um dann doch die Anwesenheit einzelner Mitglieder am Tatort einzuräumen. „Wenige vereinzelte Mitglieder von uns standen höchstens in unmittelbarer Nähe zum Geschehen, wurden jedoch nicht handgreiflich.“ Empathie mit den Opfern des Angriffs hat die PGDU nicht, stattdessen sieht sie sich als eigentliches Opfer: „Nun versucht diese Gruppe uns scheinbar durch medialen Druck als Täter darzustellen. Dies ist übrigens ein Trend, der nicht nur in Duisburg, sondern in den letzten Jahren vergleichbar in vielen Städten und Szenen sichtbar wurde.“ Auch wenn die PGDU die vergleichbaren Beispiele nicht explizit beim Namen nennt, so dürfte klar sein, dass sie auf die Situation in Aachen, Dortmund und Braunschweig anspielt, wo antirassistische Fans und Ultras auf den zunehmenden Rechtsruck hinweisen und rechte Aktivitäten thematisieren. Deutlich wird dies an folgender Passage: „Gruppen wie die Kohorte versuchen, als vermeintliche ‘Gutmenschen-Gruppen’, die sich Weltoffenheit und Toleranz auf die Fahne schreiben, alles um sie herum, was nicht in Menschenbild passt, auszugrenzen.“ Und sind damit dann wohl selber schuld, wenn sie dafür angefeindet und körperlich attackiert werden. Wie beim Auswärtsspiel am 21. Dezember 2013 in Heidenheim, als ein Konflikt zwischen einem Kohorte-Ultra und einem PGDUler eskalierte und in einem weiteren Angriff endete. Laut Angaben der Kohorte sollen an dem Angriff Mitglieder der Gruppen PGDU, Toastbrot, Division Duisburg und des Nationalen Widerstands Duisburg beteiligt gewesen sein. Unter den Opfern befand sich auch der sich zu seiner Homosexualität bekennende damalige MSV-Stadionsprecher, Chris Schulze, der sich bei den Ultras der Kohorte aufhielt und von den Angreifern mit dem Ausruf „Sie haben Schwule dabei, tötet sie“ attackiert worden sein soll.

Keine Politik?

In der öffentlichen Debatte über neonazistische Vorfälle und rechte Schläger beim MSV wird bislang die Rolle der Alt-Hooligans der Gruppierung Forever Duisburg ausgeblendet und nicht thematisiert. Dabei stellt die 1980 gegründete Gruppierung zahlenmäßig die größte Fraktion im Spektrum der gewaltbereiten MSV-Fans dar und gibt weiterhin den Ton an, wie sich bei den Krawallen beim Essener Hallenturnier im Januar 2013 zeigte. Die MSV-Hooligans reisten gemeinsam per Reisebus an und waren überwiegend in schwarz gekleidet, wie es zuvor auf der Forever-Homepage angeordnet worden war. Dass diese Alt-Hooligans noch weiterhin zum aktiven Kern der gewaltbereiten MSV-Fans gehören, spiegelt sich auch auf einem Foto aus der jüngeren Vergangenheit wider, auf dem ein mit Sturmhauben vermummter Mob mit Bannern der Gruppierungen Forever Duisburg, Division Duisburg, Barrachos, PGDU, ZB und Sektion Stadionverbot posiert und das Bild einer schlagkräftigen Allianz vermitteln will. Ihren „Führungsanspruch“ stellten die Alt-Hools von Forever Duisburg auch bei dem „Runden Tischgespräch“ im September 2013 zwischen Delegierten der Division Duisburg und der Kohorte unter Beweis, bei dem sie als Moderatoren auftraten und den Kohorte-Ultras vom „Engagement gegen Rassismus“ abrieten. Dass hinter dem Verbot viel mehr steckt als der bloße Wunsch, den Fußball „unpolitisch“ halten zu wollen, darauf lassen Fotos aus dem Vereinsheim von Forever Duisburg schließen, auf denen das Tragen der rechten Bekleidungsmarke Thor Steinar bis hin zum Zeigen des Hitlergrußes zu sehen sind. Zu diesem eigenwilligen Politikverständnis passt auch die Verbreitung des Aufklebers „No Politics. Just MSV“, dessen Untertitel „Fanszene Duisburg“ eine einheitliche MSV-Fanszene suggeriert, in der Politik keinen Platz hat und auch keine Rolle spielen soll. Dass dieser „Politikverzicht“ aber lediglich für antirassistische Politik gelten soll, verdeutlichen auch die Vorfälle nach dem MSV-Auswärtsspiel beim BVB II am 22.Februar 2014. Dutzende der per Zug mitgereisten MSV-Fans nahmen bei ihrer Rückkehr in den Duisburger Hauptbahnhof die Teilnehmenden einer dort veranstalteten Salafisten-Demonstration ins Visier und skandieren lauthals: „Zick, Zack, Zigeunerpack.“ „Hurra, hurra. Die Deutschen sind da.“ Und: „Wir hassen die Türkei.“

Eine Debatte, wie rechte und neonazistische Kräfte innerhalb der MSV-Fanszene zurückgedrängt werden können, lösten die Vorfälle bislang nicht aus. Dabei spielt das „Aussitzen“ des Problems lediglich den rechten und neonazistischen Kräften in die Hände. Schließlich können sie die Sprachlosigkeit als unausgesprochene Zustimmung interpretieren und sich weiterhin als akzeptierter Teil der Fanszene fühlen. So lässt man sie walten und schalten und weiterhin ein Klima der Einschüchterung und Angst verbreiten.