Nachrichten als Waffe

Über den politischen Durchbruch extrem rechter Medien in den USA

Mit Donald Trump haben extrem rechte Medien einen ihrer Fans als Staatsoberhaupt. Ohne die Vorarbeit der „Tea Party“-Bewegung und großzügigen Geldgebern wäre ihr herbeigesehnter „Kulturkrieg” nicht im Weißen Haus angekommen.

Mit Donald Trump haben extrem rechte Medien einen ihrer Fans als Staatsoberhaupt. Ohne die Vorarbeit der „Tea Party“-Bewegung und großzügigen Geldgebern wäre ihr herbeigesehnter „Kulturkrieg” nicht im Weißen Haus angekommen.Als der extrem rechte Agitator Milo Yiannopoulos im Februar 2017 einen lukrativen Buchdeal mit dem Verlag Simon & Schuster verlor und als Redner von der wichtigen Jahreskonferenz des Conservative Political Action Committee ausgeladen wurde — es zirkulierten Interviews, in denen er sexuelle Gewalt gegen Minderjährige verharmloste –, da hofften viele, dass seine Karriere damit endgültig enden würde. Zuvor hatte sich der aus England stammende Yiannopoulos einen hohen Bekanntheitsgrad als Redakteur des extrem rechten Nachrichtenunternehmens Breitbart News (BN) sowie als Redner und Interviewpartner erarbeitet, wobei sein Markenzeichen darin bestand, als selbsttitulierte „dangerous faggot“ („gefährliche Schwuchtel“) gegen die vermeintlichen Feinde der von „weißen Männern“ erschaffenen „westlichen Zivilisation“ zu hetzen — vor allem gegen den Islam, gegen Feminismus, „Kulturmarxismus“ und die Einwanderung nicht-weißer Menschen. Mit der Gründung seines Medienunternehmens Milo Inc. und der dadurch ermöglichten Veröffentlichung seines Buches „Dangerous“ im Juni 2017 schaffte es Yiannopoulos auf die Bestsellerlisten; dadurch gelang ihm ein erfolgreicher Wiedereinstieg in die US-amerikanische Medienlandschaft. Ermöglicht wurde sein Comeback durch zwei Faktoren: durch den erfolgreichen Auf- und Ausbau extrem rechter Mediennetzwerke und durch die damit einhergehende Legitimierung ihrer menschenverachtenden Propaganda im öffentlichen Diskurs seit dem Erstarken der Tea Party-Bewegung und der darauf aufbauenden Präsidentschaftskandidatur Donald Trumps, die durch Geldgeber wie den Milliardär Robert Mercer finanziert wurde.

Von der „Tea Party“zu „America First!“

Rückblick ins Jahr 2009: Mit Barack Obama wird der erste afroamerikanische Präsident in der Geschichte der USA vereidigt. Gleichzeitig formiert sich gegen seine Präsidentschaft innerhalb der Republikanischen Partei die erfolgreichste reaktionäre Bewegung seit Jahrzehnten. Die Tea Party-Bewegung wähnt sich in Tradition der „Patrioten“ der US-amerikanischen Revolution und in einem „Kulturkrieg“ gegen die Tyrannei des (linksliberalen) „Establishments“. Angeführt von Fox News -Moderatoren wie Glenn Beck, Kolumnistinnen wie Ann Coulter, Radiomoderatoren wie Rush Limbaugh, republikanischen PolitikerInnen wie Sarah Palin, James „Rick“ Perry, Michele Bachmann oder dem heutigen Vize-Präsidenten Michael „Mike“ Pence beginnt ein Kampf gegen die Etablierung einer gesetzlichen Krankenversicherung, gegen Steuern und staatliche Sozialleistungen, gegen Laizismus, Gleichstellungs- und Diversitätspolitik, die Einschränkung von Waffenrechten und „illegale“ Einwanderung. Wichtige Geldgeber der Bewegung sind von Anfang an beispielsweise die Milliardäre Charles Koch und David Koch, Mehrheitseigner des zweitgrößten US-amerikanischen Konzerns in Privatbesitz, Koch Industries, die Millionen Dollar in die Tea Party-Bewegung fließen lassen durch ihr weit gespanntes Netzwerk an Lobbyorganisationen und Think Tanks wie das Cato Institute. Innerhalb der Bewegung verbündeten sich vor allem Libertäre, Rechtskonservative und christliche Rechte, um ihre politische Macht in der Republikanischen Partei auszubauen; sie schufen so ein politisches Umfeld, das bis heute vielfältige Anknüpfungspunkte für die extreme Rechte bietet.

Auch Donald Trump war Unterstützer der Tea Party und twitterte 2013 beispielsweise, es handle sich bei ihren AktivistInnen um „großartige Amerikaner“. Zudem ist Trump nach wie vor Anhänger der in der Bewegung weit verbreiteten „birther theory“, einer rassistischen Verschwörungsfantasie, wonach Obama nicht in den USA geboren, dafür aber ein Islamist sei.

Türöffner für die extreme Rechte

Wie bei vielen heute prominenten extrem rechten Nachrichtenseiten waren auch die Anfänge von BN bescheiden. Im Jahr 2005 begann die Webseite als Nachrichten-Aggregator für rechtskonservative News, bevor ihre Gründer, der Journalist Andrew Breitbart und der Rechtsanwalt Laurence „Larry“ Solov, sie 2007 zu einer Nachrichtenseite mit eigenen Inhalten umbauten. Breitbart freundete sich mit Stephen „Steve“ Bannon an, der zwischen 2004 und 2012 Dokumentarfilme finanzierte und produzierte; diese verherrlichen beispielsweise Ronald Reagan, den „Lieblingspräsidenten“ der „Republikaner“, oder stellen den Islam als „Verkörperung des Bösen“ auf der Welt dar. Einer der Filme sollte die ehemalige Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, zur Präsidentschaftskandidatur bewegen.

Der ehemalige Anlagenbankier Bannon überzeugte den Hedgefonds-Manager Robert Mercer im Jahr 2011, mit einer Investition in BN in Höhe von zehn Millionen Dollar zum Miteigentümer zu werden; er vertraute ihm eine Führungsrolle innerhalb des Medienunternehmens an. Als Breitbart im Jahr 2012 überraschend starb, wurde Bannon zum Vorstandsvorsitzenden ernannt. Unter seiner Führung entwickelte sich die Nachrichtenseite zu einer zentralen Informations- und Diskussionsplattform für rechtskonservative bis extrem rechte LeserInnen.

Während die Beiträge auf BN allzu offenen Rassismus meiden, zeichnen sie das Bild einer durch eine „linke Meinungsdiktatur“ gebeutelten Nation, die nur durch eine „harte” rechte Politik gerettet werden könne. Die offene Hetze wird den LeserInnen in den Kommentarspalten überlassen. Die Bürgerrechtsorganisation Southern Poverty Law Center bezeichnet BN daher als „New York Times der Neonazis“ und die BN-Kommentarspalte als „safe-space für antisemitische Sprache“. Dass es sich dabei um eine gezielte Strategie handelt, unterstreichen auch geleakte E-Mails vom März 2016: Für seinen weithin zitierten Artikel „An Establishment Conservative’s Guide to the Alt-Right“ holte sich Milo Yiannopoulos unter anderem Rat von Andrew Auernheimer („Weev“), dem Systemadministrator der neonazistischen Webseite The Daily Stormer (Der tägliche Stürmer, in Anspielung auf die NS-Propagandazeitschrift Der Stürmer von Julius Streicher); zudem erhielt er von David Saucier („Henry Wolff“), einem Redakteur des extrem rechten Monatsmagazins American Renaissance, detaillierte Anmerkungen zu seinem Text vor dessen Veröffentlichung. BN-Chefredakteur Alexander „Alex“ Marlow wies Yiannopoulos an, Verbindungen zu den extrem rechten und von ihm selbst als „rassistisch“ titulierten Nachrichtenseiten VDARE um Peter Brimelow und Taki’s Magazine um Taki Theodoracopulos zu verschleiern. Bannon kommentierte den Beitrag mit dem Hinweis, dass er sich über jeden Text freue, in dem der italienische Faschist Julius Evola (1898-1974) erwähnt wird. So wird Beitrag für Beitrag extrem rechte Propaganda als vermeintlich legitime konservative Meinung getarnt und in den politischen Diskurs eingebracht.

Ein Informationskrieger im Wutrausch

Die Mehrheit der US-AmerikanerInnen hörte von Alexander „Alex“ Jones wohl zum ersten Mal im Januar 2013, als er vom englischen Fernsehmoderator Piers Morgan zu CNN ins Studio geladen wurde. Anlass war, dass Jones eine Petition für Morgans Abschiebung gestartet hatte. Im Wutrausch schrie er Morgan an, es werde eine zweite Revolution geben, falls nach dem Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule mit insgesamt 28 Toten, der kurz zuvor verübt worden war, neue Gesetze zur Einschränkung der Waffenrechte verabschiedet würden. Der Radiomoderator Jones ist der vermutlich bekannteste extrem rechte Verschwörungstheoretiker in den USA; er sieht nicht nur in dem erwähnten Amoklauf eine „false flag“-Operation der „Globalisten“, die angeblich eine diktatorische „Neue Weltordnung“ herbeiführen wollen. Als Grundlagenwerk für diese Weltansicht bezieht sich Jones auf den Bestseller „None Dare Call It Conspiracy“ (1971) von Gary Allen und Larry Abraham, beide Mitglieder der 1958 von Robert Welch Jr. gegründeten antikommunistischen Organisation John Birch Society (JBS). In dem Buch wird der Ideologie der JBS entsprechend behauptet, „internationale Banker“ hätten zunächst die russische Revolution finanziert und anschließend versucht, Schritt für Schritt durch internationale Zusammenarbeit, zentralisierte Geldpolitik, sozialstaatliche Leistungen und vieles weitere eine „Neue Weltordnung“ zu errichten. Seine extrem rechten Verschwörungstheorien verbreitet Jones seit 1999 über die nach ihm benannte Radiosending The Alex Jones Show, die beliebteste Sendung des verschwörungstheoretischen Genesis Communications Network von Ted Anderson. Zusätzlich betreibt Jones die Webseiten InfoWars, NewsWars und PrisonPlanet. Durch die Kombination seiner Medienangebote erreicht er seit mehreren Jahren wöchentlich Millionen von US-AmerikanerInnen und darüber hinaus auch AnhängerInnen in aller Welt, die seinen Lügen Glauben schenken wollen. Jones’ Propaganda spult nicht nur die klassischen Verschwörungstheorien herunter, wonach „dunkle Mächte“ im Staatswesen der USA die „Strippenzieher“ hinter jedem terroristischen Anschlag im Land seien, sondern sie behauptet beispielsweise auch, dass Fluorid im Trinkwasser dazu diene, Menschen „schwul zu machen“. Seine Propagandafeldzüge konzentrierte Jones nicht zuletzt auf den damaligen Präsident Obama, in dem er wie viele andere einen „Globalisten“ und „Handlanger der Illuminaten“ ausmachte, der durch die Einführung einer gesetzlichen Krankenkasse und durch die „Entwaffnung“ der Bürger ein „kommunistisches Naziregime“ in den USA einführen wolle. Dadurch fand Jones nicht wenige AnhängerInnen innerhalb der Tea Party. Sein Mitarbeiter Jerome Corsi schrieb 2011 das Hauptwerk der „birther“„-Verschwörungstheorie namens „Where’s the Birth Certificate?“. Weitere von Jones ausgemachte Feinde der USA (und der Welt) sind Feminismus, Islam, die Black Lives Matter-Bewegung oder die „Klimawandel-Lüge“. Während Jones’ Propaganda jahrelang als „Spinnerei“ abgetan wurde, mussten viele seine Aktivitäten ernst nehmen, als er im Präsidentschaftswahlkampf Donald Trump unterstützte und ihn im Dezember 2015 für ein halbstündiges Interview in seiner Sendung gewinnen konnte. Trump nutzte die Zeit, um sein im November 2015 von Simon & Schuster veröffentlichtes Buch „Crippled America“ („Verkrüppeltes Amerika“) zu vermarkten. Als Fan des Moderators sagte er am Ende des Interviews zu Jones: „Dein Ruf ist unglaublich, ich werde dich nicht enttäuschen, du wirst hoffentlich sehr, sehr beeindruckt sein [von meiner Präsidentschaft, Anm. d. Verf.].”

Das Fundament des Trumpismus

Die Begeisterung extrem rechter MedienmacherInnen über Trumps Präsidentschaftskandidatur war beispiellos, da er bereits in seiner ersten Vorstellungsrede im Juni 2015 undokumentierte EinwandererInnen aus Mexiko pauschal als „Drogendealer“, „Mörder“ und „Vergewaltiger“ abgewertet hatte und sich weigerte, sich klar von bekannten „white supremacists“ (AnhängerInnen einer „weißen Vorherrschaft“) wie David Duke zu distanzieren. Trump profitierte von der Mobilisierung einer extrem rechten WählerInnnenschaft durch die tägliche positive Berichterstattung entsprechender Medien, während eben jene Medien mit Trumps wachsendem Erfolg mehr AnhängerInnen und Legitimität gewinnen konnten. Neue Legitimität bekamen sie auch durch Trumps fortwährende Tiraden gegen führende US-amerikanische Medien wie die New York Times, die der heutige US-Präsident als „fake news“, als „Lügenpresse“ bezeichnet. Dabei sind sich libertäre, rechtskonservative und extrem rechte Meinungen in den vergangenen Jahren sehr nahe gekommen. Zwar vermeiden beliebte rechte KommentatorInnen wie der ehemalige BN-Mitarbeiter Benjamin „Ben“ Shapiro, Ann Coulter oder Sean Hannity und Tucker Carlson von Fox News (FN) die direkte Verwendung rassistischer Begriffe, sie teilen aber zentrale ideologische Überzeugungen mit der extremen Rechten: Alle gesellschaftliche Probleme der USA, heißt es gewöhnlich, seien letztlich auf die Gleichstellungs- und Diversitätspolitik, auf die Anerkennung und Durchsetzung der Bürgerrechte nicht-heterosexueller Menschen, auf eine vermeintliche „Islamisierung“ des Landes und eine angebliche „linke Meinungsdiktatur“ zurückzuführen, die durch Antifa, Black Lives Matter oder #MeToo verkörpert werde. So ist es nicht verwunderlich, dass die Kolumnen von Ann Coulter beispielsweise auch von American Renaissance um den prominenten „white supremacist“ Jared Taylor gekauft werden und auf deren Webseite neben der sonst üblichen extrem rechten Hetze erscheinen.

Rechte Familienbande

In Trump erkannten Robert Mercer und seine Tochter Rebekah Mercer, die unter anderem Vorsitzende der familieneigenen Mercer Family Foundation und seit 2014 Vorstandsmitglied des konservativen Think Tanks Heritage Foundation ist, einen Präsidentschaftskandidaten nach ihrem Geschmack. Zunächst unterstützten die Mercers den Tea Party-Liebling Rafael „Ted“ Cruz; doch als dieser sich im Mai 2016 geschlagen geben musste, überzeugten Ivanka Trump und ihr Ehemann Jared Kushner bei einem Mittagessen Rebekah Mercer, ihr finanzielles und politisches Gewicht hinter die Kampagne ihres (Schwieger-)Vaters zu werfen. Der familieneigene „Super-PAC“ (Lobbyorganisation zur Unterstützung einer Wahlkampagne), dem allein Robert Mercer 13,5 Millionen Dollar spendete, wurde von Keep the Promise in Make America Number 1 (MAN1) umbenannt, eine Anspielung auf Trumps Wahlslogan „Make America Great Again“ (MAGA).

Darüber hinaus spielte die von Trumps Kampagne beauftragte Datenanalysefirma Cambridge Analytica (CA), in die Robert Mercer als Mitgründer 15 Millionen Dollar investiert hatte, eine wichtige Rolle. Die Firma sammelte persönliche Datensätze von bis zu 87 Millionen NutzerInnen des sozialen Netzwerks Facebook ohne deren Kenntnis, um die Informationen für gezielte Wahlwerbung zu verwenden. Laut einem Mitbegründer wollte die Führungsriege das Unternehmen als „Waffe“ für einen „Kulturkrieg“ in den USA nutzen. Während des Präsidentschaftswahlkampfs war Bannon, der seinen Firmenanteil im Wert von bis zu fünf Millionen Dollar im April 2017 veräußerte, als führender Mitarbeiter angestellt. BN berichtete ausschließlich positiv über Trump und griff seine MitbewerberInnen in zahlreichen Artikeln an.

Mit Trumps Wahlsieg erhielten nicht nur seine Tochter und sein Schwiegersohn Posten im direkten Umfeld der US-Regierung, sondern auch Steve Bannon und andere BN-Mitarbeiter wie der vermeintliche „Terrorismusexperte“ Sebastian Gorka, einem Mitglied des ungarischen Vitézi Rend, der 2007 seine Unterstützung für die neonazistische Magyar Gárda bekundete, oder Kellyanne Conway, zuvor Leiterin des „Super-PAC“ MAN1 . Wenig überraschend wurde BN zum Haus- und Hofberichterstatter der neuen Bundesregierung; die Plattform gibt mit ihren Fragen regelmäßig Vorlagen für hetzerische Aussagen und für darauf basierende Berichte. Auch wenn Gorka und Bannon nach einem halben Jahr aus dem Regierungsumfeld verstoßen wurden und Bannon im Januar 2018 im Zuge des Machtkampfes um die Zukunft von MAGA gezwungen war, sich aus BN zurückzuziehen, bleibt das Medium für die Unterstützung extrem rechter Politik erhalten.

Fazit

Der Aufschwung in Reichweite und politischer Wirkmächtigkeit extrem rechter Medien in den USA ist nicht vom Himmel gefallen. Er erwuchs aus dem von der Tea Party-Bewegung seit 2009 erst in der Republikanischen Partei, dann in den USA insgesamt eingeläuteten gesellschaftlichen Rechtsruck, der von rechten Geldgebern wie der Koch- und der Mercer-Familie unterstützt wird. Gestärkt durch die Präsidentschaft Trumps werden extrem rechte Medien in absehbarer Zukunft ihren „Kulturkrieg“ weiter vorantreiben.

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