Yannick Noé (links) beim „Konservatismus“-Kongress der „Jungen Alternative Bayer
Endstation Rechts Bayern

„Kontrakultur“ aus NRW

Das „Arcadi Magazin“

Als „das neue Kultur- und Lifestyle-Magazin“ vermarkten die Herausgeber das „Arcadi Magazin“. Das Medienprojekt richtet sich vor allem an junge Menschen und weist eine große inhaltliche und personelle Nähe zur AfD und zur „Identitären Bewegung“ auf. Es ist als eine Art Brücke zwischen beiden Organisationen zu werten.

Als „das neue Kultur- und Lifestyle-Magazin“ vermarkten die Herausgeber das „Arcadi Magazin“. Das Medienprojekt richtet sich vor allem an junge Menschen und weist eine große inhaltliche und personelle Nähe zur AfD und zur „Identitären Bewegung“ auf. Es ist als eine Art Brücke zwischen beiden Organisationen zu werten.

Berichte über Videospiele, Comics und Star Wars neben Lifestyle-Ratschlägen à la „Hosenträger? Ja! Aber wie?“ und „Warum ich Scheitel trage“, ein bisschen Sex („Wer jeden oder jeden zweiten Tag masturbiert, wird also nie männlich sein“). Dazwischen wohlwollende Artikel über Projekte aus dem Umfeld der Identitären Bewegung (IB), Interviews mit rechten „Stars“ wie der „Alt Right“-Bloggerin Brittany Pettibone und Berichte über Initiativen der AfD. Das Arcadi Magazin bietet eine eigentümliche Mischung, die aber so gewollt ist.

Denn die Herausgeber beanspruchen, politisch nicht festgelegte Jugendliche und junge Erwachsene zu erreichen und unterfüttern zugleich die verschiedenen (frivolen) Artikel, Erfahrungsberichte und Kulturrezensionen mit antifeministischen, rassistischen oder anderen extrem rechten Inhalten. Dies zeigt sich beispielsweise an einem Bericht über den neuesten Teil der beliebten Ego-Shooter-Serie Battlefield, in dem die „Fokussierung auf weibliche und schwarze Charaktere“ im Videospiel als Ausdruck von „Diversity“ und „Equality“ abgelehnt wird.

Von der Einlösung des eigenen Anspruchs, mit Arcadi eine „Alternative“ zu Magazinen wie Neon oder Vice bieten zu können, sind die Macher noch weit entfernt. Denn bislang ist die Verbreitung von Arcadi begrenzt. Seit 2016 ist Arcadi als Webzine abrufbar. Seit vergangenem Jahr existiert auch eine Printausgabe mit einer Startauflage von 1.000 Exemplaren. Drei Hefte liegen bereits vor, ein viertes soll in Kürze erscheinen. Auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln wurde Arcadi kostenlos verteilt, ansonsten müssen für eine Ausgabe 6 Euro bezahlt werden. Auch die Reichweite der Arcadi-Podcasts ist mit durchschnittlich einigen hundert Klicks pro Beitrag gering. Bei Facebook folgen dem Magazin nicht einmal 2.000 Personen.

Dennoch sehen rechte Strateg_innen in dem Projekt offenbar Potenzial. Die Initiative Ein Prozent e.V. unterstützt Arcadi finanziell. In den Heften finden sich zudem zahlreiche Anzeigen von Gewerbetreibenden aus dem Umfeld der IB (zum Beispiel Jungeuropa Verlag, Phalanx Europa) und der Neonazi-Szene (zum Beispiel Greifvogel Wear, Sonnenkreuz Versand). Auch der extrem rechte AfD-Bundestagsabgeordnete Dubravko Mandic wirbt regelmäßig für seine Anwaltskanzlei (siehe Infoboxen). So können zwei Arcadi-Redakteure für ihre Arbeit entlohnt werden.

Die Herausgeber

Hinter Arcadi steht als Herausgeber der Verein Publicatio e.V., der im August 2016 in Leverkusen gegründet wurde. Der Verein verpflichtet sich laut Satzung, die „Kultur und Bildung des deutschen Volkes zu wahren und zu fördern“. Neben der Herausgabe des Magazins soll dieser Zweck auch mit der Durchführung von Veranstaltungen erreicht werden. Vereinsvorsitzender ist der Arcadi-Chefredakteur Yannick Noé, der zugleich Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Leverkusen ist. Als sein Stellvertreter im Vereinsvorstand fungiert Maximilian Schmitz. Mitbegründet wurde der Verein von André Ufer (Bundesvorstand Junge Alternative aus Dresden, vorher Düsseldorf), Raimond Hoffmann (stellvertretender Vorsitzender der Jungen Alternative Baden-Württemberg), Dominik Amann (stellvertretender Sprecher der AfD Leverkusen), Holger Noé (Unternehmer aus Leverkusen) und Daniela Boumann-Quast (AfD Düren). Die Gründungsversammlung des Publicatio e.V. leitete Zacharias Kornelius Martin Schalley, der Beisitzer im Vorstand der Jungen Alternative NRW ist und für den AfD-Landtagsabgeordneten Christian Blex arbeitet.

Yannick Noé, Schmitz und Schalley waren bereits gemeinsam für die Campus Alternative Düsseldorf, einer zwischenzeitlich inaktiven AfD-nahen Hochschulgruppe an der Heinrich-Heine-Universität, politisch tätig und gehören alle drei der Alten Halleschen Burschenschaft Rhenania-Salingia zu Düsseldorf an, die im extrem rechten Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) organisiert ist. So erklärt sich auch, warum im Falle der Vereinsauflösung das Vermögen des Publicatio e.V. an den Denkmalerhaltungsverein Eisenach e.V. gehen soll, der für die Deutsche Burschenschaft das Burschenschaftsdenkmal in Eisenach betreut. Aufgrund ihrer Parteiarbeit verfügen Schalley und Noé über zahlreiche Kontakte zu Führungskadern der AfD.

Enge Verbindungen zu den „Identitären“

Offiziell besteht seitens der AfD ein Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Identitären Bewegung, der aber immer wieder unterlaufen wird. Arcadi ist dafür ein weiteres Beispiel. Zwar gehören Magazin und herausgebender Verein nicht offiziell zur AfD, sie werden aber von AfD-Mitgliedern getragen. Noé und Schalley sind als Funktionäre in führenden Positionen der AfD beziehungsweise ihrer Jugendorganisation tätig. Neben der deutlichen inhaltlichen Bezugnahme des Arcadi-Magazins auf die IB gibt es aber auch persönliche Verknüpfungen: Yannick Noé machte seine Funktion als Anführer der Identitären Bewegung Leverkusen in seinem Facebook-Profil öffentlich. Zumindest bis 2016 war er auch in einer geheimen Facebook-Gruppe der Identitären Bewegung aktiv. Mit John David Haase, einem Gründungsvorstand der Identitären Bewegung Deutschland e.V., war er gemeinsam in der AfD-Hochschulgruppe beziehungsweise Campus Alternative Düsseldorf tätig. Auch unter den Arcadi-Autor_innen finden sich mit Jan Scharf (Kontrakultur Halle) und Justin Cedric Salka (stellvertretender Vorsitzender des AfD-KV Westerwald) Personen, die sich mehrfach an Aktivitäten der Identitären Bewegung beteiligt haben.

„Arcadi-Fest“

Die engen Verbindungen zur Identitäten Bewegung zeigen sich auch bei den zwei bislang stattgefundenen „Arcadi-Festen“. Bei der Erstauflage der Veranstaltung im Juli 2017 sprachen die IB-Aktivisten Martin Sellner (Sprecher der IB Österreich) und Mario Alexander Müller (Kontrakultur Halle). Auf der Bühne stand der Rapper Christoph „Chris Ares“ Zloch (Bündnis deutscher Patrioten). Ursprünglich sollte die Veranstaltung auf Schloss Morsbroich stattfinden, einem Gebäude der Stadt Leverkusen. Eine Antifa-Veröffentlichung machte die Anmietung zunichte, daher mussten die Veranstaltenden auf andere Räumlichkeiten ausweichen.

Beim zweiten „Arcadi Fest“ am 25. Januar 2018 gingen die Veranstaltenden vorsichtiger vor. Beworben wurde es nur konspirativ über bundesweit verstreut wohnende Vertrauenspersonen. Nicht zuletzt hier offenbarten sich die engen Verbindungen zur IB. Für den Ausschank sorgte Daniel Fiß (IB Rostock) mit seiner Biermarke „Pils Identitär“. Es gab einen Bücherstand vom Jungeuropa Verlag, dessen Inhaber Philip Stein auch im Vorstand von Ein Prozent e.V. sitzt. Ebenfalls vertreten waren Verkaufsstände der „identitären“ Mode-Labels Phalanx Europa von Patrick Lehnert (IB Österreich) sowie Cuneus-Culture von Jannik Brämer (Junge Alternative Berlin) und Karsten Vielhaber (IB Berlin). Live-Auftritte hatten die extrem rechten Rapper „Chris Ares“ und Patrick Uli „Komplott“ Bass (Burschenschaft Germania Marburg, IB Ulm) sowie Die Nackte Wahrheit, ein Musikprojekt der aus Essen-Borbeck stammenden IB-Aktivistin Melanie Schmitz (Kontrakultur Halle). Deutlich wird: Die Initiator_innen versuchen, ganz im Sinne der IB-Strategie der „Kontrakultur“, mit dem Arcadi-Fest und dem Magazin eine Ideologieschmiede und identitäre Erlebniswelt zu entwickeln.

Der Ansatz der „Kontrakultur“

Am Rande des zweiten Arcadi-Festes interviewte Arcadi-Autor Johannes Thiesen (Libertärer Stammtisch, Youtuber „Philosophy Workout“) Bass und Schmitz zum Konzept der „Kontrakultur“, worunter Schmitz die Möglichkeit versteht, „aus dieser Gesellschaft und ihrem Konsens auszusteigen und in eine Gegenkultur einzutauchen“. Sie bezeichnet „Kontrakultur“ zum einen als ideologisches Angebot, zum anderen auch als Aufgebot von „eigenen Künstlern, eigener Musik, eigener Wohnräume“. Es solle die Möglichkeit geben, „komplett auf die normale Gesellschaft zu verzichten“ und die „Gegenkultur“ anzunehmen. In einer Diskussion zwischen verschiedenen Vertretern der IB und deren Dunstkreis, darunter der ehemalige Blood & Honour-Aktivist Sven Liebich und der deutsch-italienische IB-Aktivist Eric Graziani Grönwald alias „Sebastiano Graziani“ aus Berlin, wird das Arcadi-Fest als eine Veranstaltung beschrieben, die dem Konzept der „Kontrakultur“ entspreche.

Offenkundig versuchen die „identitären“ Vertreter_innen Bezug auf Konzepte einer in linken Szenen geprägten Alternativ- und Subkultur zu nehmen, wo eigene ästhetische Ausdrucksformen und Praxen in Opposition zu der als dominant oder hegemonial verstandenen Kultur — dem sogenannten Mainstream — entwickelt wurden. Freilich finden sich aber erst Ansätze dieser propagierten „Kontrakultur“ von rechts. Verglichen mit den Angeboten aus dem Umfeld der italienischen Casa Pound-Bewegung ist deren Bedeutung begrenzt. Die neofaschistische Bewegung aus Italien übt eine große Ausstrahlungskraft nicht nur auf die „Identitären“ aus Halle aus, sondern ebenso auf die Macher von Arcadi. Dies zeigt der Artikel „Wieso ich Casa Pound so geil finde!“ von Antonio Giovanni Copolla, der 2016 auf dem Web­log erschien.

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