Demo am 28. Oktober 2018 in Frankfurt anlässlich des Einzugs der AfD in den hess
protestfotografie.frankfurt

Stimmungstest

Die extrem rechten Parteien vor der Kommunalwahl in Hessen

Am 14. März findet in Hessen die Kommunalwahl statt. Nach Bayern und Nordrhein-Westfalen ist es erst die dritte (Kommunal-) Wahl seit Ausbruch der Corona-Pandemie, gleichzeitig gilt die Wahl in Hessen als Stimmungstest für die im Herbst anstehende Bundestagswahl.

Am 14. März findet in Hessen die Kommunalwahl statt. Nach Bayern und Nordrhein-Westfalen ist es erst die dritte (Kommunal-) Wahl seit Ausbruch der Corona-Pandemie, gleichzeitig gilt die Wahl in Hessen als Stimmungstest für die im Herbst anstehende Bundestagswahl.

Tilo Giesbers schrieb im Vorfeld der Kommunalwahl 2016 in dem Online-Artikel „Alle mit dabei“ des LOTTA-Magazins: „Die AfD wird von der aktuellen rassistischen Massenmobilisierung mit täglich mehreren dutzend Aufmärschen und Kundgebungen von PEGIDA und Co., von täglich einigen Angriffen auf Geflüchtete, ihre Unterkünfte oder antirassistisch Aktive von Erfolg zu Erfolg getragen.“ Kurzum: der Themenkomplex Flucht, Asyl und Zuwanderung schwebte thematisch über allem. Die Ergebnisse untermauerten dies; wo die AfD antrat, erreichte sie mit wenigen Ausnahmen Ergebnisse um die 10 Prozent und drüber. Auch andere extrem rechte Parteien profitierten von der damaligen Stimmung, zumindest wenn die AfD vor Ort nicht auf dem Stimmzettel stand. So konnten die NPD und sogar Die Republikaner in einzelnen Gemeinden zweistellige Prozentzahlen für sich verbuchen.

Bei der Landtagswahl 2018 konnte allerdings nur die AfD ihr Ergebnis bestätigen. Mit 13 Prozent zog sie in das letzte noch ausstehende Landesparlament ein (vgl. LOTTA #73, S. 28 f.). Für die NPD wurde die Wahl zum Desaster, selbst in einigen ihrer „Hochburgen“ erreichte sie nicht einmal ein Prozent, lediglich Büdingen (3,1 %) bildete eine Ausnahme. Insgesamt lag der Landesschnitt bei 0,2 Prozent. Weitere Parteien aus dem Spektrum traten bei der Landtagswahl nicht an.

Die Lage in der AfD

Bei der Kommunalwahl 2016 trat die AfD in allen Landkreisen und kreisfreien Städten außer im Werra-Meißner-Kreis an und konnte fast überall zweistellige Ergebnisse für sich verbuchen. Ausnahmen waren lediglich der Vogelsbergkreis (5,8 %) und die kreisfreien Städte Frankfurt am Main (8,9 %) und Darmstadt (9,2 %). Im Landesdurchschnitt brachte sie es auf 11,9 Prozent. Bei den Gemeindewahlen zeigte sich allerdings, dass die AfD nicht in der Breite aufgestellt ist. Lediglich für 17 der 426 Gemeindeparlamente stellte sie Listen auf und erreichte vergleichbare Ergebnisse.

Kommunale Fraktionen sowie Regionalverbände sind allerdings oftmals nur in den sozialen Medien sichtbar oder durch parteieigene Saalveranstaltungen, bei denen aber meist nur RednerInnen auftreten, die auf Bundes- oder Landesebene für die AfD in Parlamenten sitzen. Überregional machten einige Regionalverbände durch Auseinandersetzungen oder Eklats von sich reden. So sorgte im August 2018 ein Statement der AfD Hochtaunus auf deren Facebook-Seite für Aufsehen: „Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser sowie die Presseverlage gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt,“ hieß es darin. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Hochtaunus Michael Dill ruderte drei Wochen später im Kreistag zurück und bezeichnete den Beitrag als „nicht hinnehmbar“. In der gleichen Debatte sorgte der Vorsitzende der AfD und Spitzenkandidat für die kommende Wahl im Hochtaunuskreis Peter Lutz allerdings für den nächsten Eklat, als er erneut auf die Presse losging: „Die Art und Weise, wie die Regierung Merkel und die ihr treu ergebenen Staatsmedien in Funk und Fernsehen die Wahrheit manipulieren, steht in bester stalinistischer Tradition.“

Querelen, Streit und Austritte

In Offenbach versanken der Stadt- und Kreisverband sowie die Fraktionen zeitweise im Chaos. Im April 2019 musste sich der Kreisverband Offenbacher Land auf die Suche nach einem neuen Vorsitzenden machen. Amtsinhaber Robert Rankl durfte nicht erneut kandidieren, er wurde vom Landesverband wegen schlampiger Kassenführung mit einem Ämterverbot belegt. Als Nachfolger wollte der Heusenstammer AfD-Fraktionsvorsitzende Carsten Härle kandidieren. Aber auch bei ihm wurde eine Ämtersperre verhängt und ein Parteiausschlussverfahren eröffnet — aufgrund von Verharmlosung der Shoah. So leugnete er, dass es Duschkabinen mit Gas je gegeben habe. Keine singuläre Äußerung, auch nahm Härle an mindestens zwei Veranstaltungen teil, die dem Holocaustleugner-Spektrum zugerechnet werden. Der Ausgang des Parteiausschlussverfahrens sowie eines Verfahrens wegen Volksverhetzung sind bislang nicht bekannt. Rankel wehrte sich offenbar erfolgreich gegen die Sperre, denn im November 2019 wurde er erneut Vorsitzender. Außerdem führt er die regionale Liste zur Kommunalwahl an, auf Platz sieben rangiert Carsten Härle.

In der Stadt Offenbach wurde die AfD 2016 als viertstärkste Kraft ins Stadtparlament gewählt. In der Fraktion dominierten aber Querelen, Ausschlüsse und Austritte. Die Fraktionsvorsitzende Christine Thüne wurde im April 2019 vom AfD-Bundesschiedsgericht aus der Partei ausgeschlossen. Sie soll innerparteiliche Gegner angeschwärzt haben, auch Vorwürfe wegen Veruntreuung standen im Raum. Sie blieb allerdings parteilose Stadtverordnete und gar Vorsitzende der AfD-Fraktion. Vier AfD-Stadtverordnete gründeten daraufhin im Oktober 2019 eine eigene Fraktion, die „Alternative für Offenbach“. Thüne klagte zudem gegen den Parteiausschluss. Da der Bundesvorstand sich im Verfahren nicht äußerte, erging ein sogenanntes Versäumnisurteil. Im Januar 2020 wurde das Urteil rechtskräftig und Thüne, nun wieder AfD-Mitglied, wurde im Februar erneut zur Vorsitzenden der AfD in Offenbach gewählt.

Die hessische NPD vor der Wahl

Die NPD-Ergebnisse in vier Gemeinden bei der vergangenen Kommunalwahl erfuhren bundesweit Beachtung. In Wetzlar und Leun (Lahn-Dill-Kreis) sowie in den Wetterauer Gemeinden Büdingen und Altenstadt erlangte die NPD Ergebnisse um die zehn Prozent. Allerdings trat die AfD hier auch nicht an. Im März 2017 wurde, auch aufgrund des Wahlergebnisses, die Region Wetzlar beim NPD-Bundesparteitag als „Leuchtturm-Projekt“ ausgerufen. Nach einem gescheiterten Versuch, im April 2017 ein Bürgerbüro nebst Hausprojekt in der Wetzlarer Altstadt zu eröffnen, und einem ebenso gescheiterten Versuch, im März 2018 ein als Parteiveranstaltung deklariertes Rechtsrockkonzert in der Wetzlarer Stadthalle zu organisieren, wurde es ruhiger um die NPD in der Region (vgl. LOTTA #71, S. 31 f.). Teilnahmen an bürgerlichen Protestveranstaltungen und „Schutzzonen“-Patrouillen blieben die Ausnahme.

Im Kreis Wetterau schlug die Wahl von Stefan Jagsch zum Ortsvorsteher der Gemeinde Altenstadt Waldsiedlung im September 2019 hohe Wellen. In der 2.650 Einwohner*innen-Gemeinde, wurde der NPDler mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gewählt. Der CDUler Norbert Szielasko begründete seine Wahl damit, dass „wir keinen anderen haben — vor allem keinen Jüngeren, der sich mit Computern auskennt, der Mails verschicken kann“. Nach wenigen Wochen wurde Jagsch allerdings wieder abgewählt. Im Januar 2019 gelang der Partei, was zuvor in Wetzlar gescheitert war. Zum Jahresauftakt des Bundesverbandes lud die NPD nach Büdingen ein. Neben dem nachmittäglichen Parteiprogramm fand in der Stadthalle ein Konzert mit den Bands Oidoxie, Germanium und Die Lunikoff Verschwörung statt. Mit knapp 200 BesucherInnen blieb das Konzert allerdings hinter den Erwartungen zurück. Im Folgenden fanden noch vereinzelte Vortragsveranstaltungen statt und hessenweit tauchten noch einige „Streifen“ auf, die sich an der „Schutzzonen“-Kampagne der Partei beteiligten. Letztendlich organisierte die NPD am 23. Mai 2020 eine Kundgebung gegen die Corona-Beschränkungen. Das Interesse an der Veranstaltung blieb aber überschaubar, es kamen lediglich ca. 20 Personen, ausschließlich aus dem direkten Umfeld der NPD oder Angehörige der Partei.

Sonstige rechte Kleinstparteien

In Biblis wurde 2016 die Freie Liste Biblis (FLB) mit 31,4 Prozent zweitstärkste Partei hinter der CDU. Mit einem Plus von über acht Prozent ließ sie die SPD hinter sich. Mit lediglich drei Parteien in der Gemeindevertretung stellte sie somit knapp ein Drittel der Abgeordneten. Fraktionsvorsitzender der Partei ist Hans-Peter Fischer, der in den 1990er Jahren schon als Kreisvorsitzender der Republikaner fungierte und auch eine Vergangenheit in der NPD sowie der Wiking Jugend hat (vgl. LOTTA #54, S. 26 f.). In den vergangenen Jahren war Fischer medial eher präsent durch sein „Hotel Neißeblick“ im sächsischen Ostritz. Bereits 2012 hielt die sächsische NPD dort ihren Parteitag ab. In den vergangenen zwei Jahren fanden auf dem Gelände dann verschiedene Rechtsrock- und Kampfsportevents statt, darunter das Schild und Schwert-Festival. Bei der vergangenen Bürgermeisterwahl in Biblis im Oktober 2019 trat allerdings der AfDler Ralph Bühler für die FLB an. Er erlangte lediglich 6,3 Prozent und wurde weit abgeschlagen Dritter. Ob die FLB bei der kommenden Kommunalwahl ein vergleichbares Ergebnis wie 2016 erzielen kann, wird auch davon abhängen, ob Fischer sich nochmal aufstellen lässt, den Vorsitz der Partei gab er bereits 2016 an Manfred Schick ab.

Die Bad Sodener Bürger (BSB) erreichten bei der vergangenen Kommunalwahl „nur“ noch 13,9 Prozent, der Verlust von gut 7 Prozent dürfte u.a. auf den Antritt der AfD zurückzuführen sein, die aus dem Stand 10 Prozent der Stimmen erhielt. Teil der aktuellen Fraktion ist der ehemalige Bundesvorsitzende der extrem rechten Deutschen Partei, Heinrich „Heiner“ Kappel. Jene brachte im Kreistag Anträge ein, die von Rassismus, Geschichtsrevisionismus und Antifeminismus durchzogen waren (vgl. LOTTA #67, S. 45 f.). Die Republikaner werden ihr Ergebnis von 2016 kaum wiederholen können. Die Partei, die kaum noch wahrnehmbar war und ist, profitierte davon, dass weder AfD noch NPD in Hanau antraten, und konnte ihr Ergebnis mit 9,6 Prozent mehr als verdoppeln. Lediglich durch die Empörung über die Verleihung des Landesehrenbriefes an den Fraktionsvorsitzenden Bert-Rüdiger Förster im Sommer 2019 (vgl. LOTTA #76, S. 49) war die Partei überhaupt einmal überregional wahrnehmbar. Die extrem rechten Bürger für Frankfurt können hingegen wieder auf bis zu drei Sitze in der Stadtverordnetenversammlung hoffen. Diese erreichten sie 2016 mit 2,7 Prozent. Die Partei machte zwischenzeitlich von sich reden, da sie den Antrag zur Sanierung der Altstadt einbrachte und nun versucht, das Projekt als eigenen Erfolg zu verbuchen.

Offener Ausgang

Der Blick auf die kommende Kommunalwahl dürfte für die genannten Parteien nicht von Optimismus geprägt sein. Bei dem alles überlagerndem Thema Corona konnte keine von ihnen entscheidend auf sich aufmerksam machen. Bei den größeren Protesten gegen die Einschränkungen aufgrund der Pandemie waren kaum exponierte Personen der extrem rechten Parteien aus Hessen sichtbar. In den Parlamenten sind sie fast komplett isoliert. Wahlkampfveranstaltungen sind augenblicklich auch nicht möglich. Für die Regionalparteien sowie die NPD wird auch viel davon abhängen, wie die AfD vor Ort aufgestellt ist. Ergebnisse wie 2016 werden allerdings kaum erreichbar sein. Für die AfD dürfte weiterhin auch das Umfragetief auf Bundesebene Einfluss haben, bei einer hessenweiten Umfrage Anfang Dezember lag sie bei acht Prozent.

Weiterlesen

M. Bialek