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Neuer „Wanderclub“ für Rechtsrock in Hessen

Hinter „Club H5“ stehen altbekannte Organisatoren
"Club H5"-Macher (v.l.): Lars Schulz und Danny Wolff  auf einem NPD-Aufmarsch
Foto: Marian Ramaswamy
"Club H5"-Macher (v.l.): Lars Schulz und Danny Wolff auf einem NPD-Aufmarsch

In Hessen soll es eine Neuerung in Sachen Nazi-Events geben: Ein in der Szene kursierender Flyer bewirbt ein Konzert am 30. November 2018, für das ein „Club H5“ verantwortlich zeichnet. Unter dem Motto „Rock against Communism“ wird ein „Balladenabend“ mit „Kategorie C“, „Nahkampf“, „Randgruppe Deutsch“ und einem „Überraschungs Liedermacher“ angekündigt. Ein genauerer Blick zeigt jedoch: das Konzept ist neu, Location und Organisatoren aber altbekannt.

Was es mit dem „Club“ auf sich hat, verraten die Betreiber in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „N.S. Heute“: Der „Club H5“ sei ein „Wanderclub“. Zwar sollen die Konzerte maßgeblich in der NPD-Immobilie in Leun-Stockhausen (Lahn-Dill-Kreis) stattfinden, zur Absicherung gegen mögliche Repressionen und um den Veranstaltern Flexibilität zu bieten, sollen aber auch an anderen Orten unter dem gleichen Label Veranstaltungen durchgeführt werden. Einend dabei ist das Corporate Design. Bereits für Anfang Dezember wird ein „H5-Konzert“ in Süddeutschland angekündigt.

Der Szenetreffpunkt in Leun-Stockhausen war in der Vergangenheit unter dem Namen „Bistro Hollywood“ bzw „teutonicus“ der zentrale Ort für Events der hessischen Naziszene. Zuletzt diente die Immobilie als Ausweichort für das in der Stadthalle Wetzlar untersagte Konzert mit „Oidoxie“ und „Kategorie C“, das als Wahlkampfveranstaltung der hessischen NPD geplant war (vgl. Lotta #71. S. 31-33).

Die Immobilie in Leun-Stockhausen

Das Haus gehört dem langjährigen NPD-Mitglied Thomas Gorr. Er sitzt zurzeit für die Partei im Ortsbeirat von Stockhausen sowie in der Stadtverordnetenversammlung Leun. Im „Bistro Hollywood“ fanden ab 2012 regelmäßig Konzerte, Partys und Veranstaltungen der NPD statt. Im Mai 2015 kam es allerdings zu einem kleinen Eklat, als bei einer dort stattfindenden Party das Lied „Ran an den Feind“ der Band „Landser“ durch den Ort schallte und die Veranstaltung schließlich polizeilich aufgelöst wurde. In den folgenden zwei Jahren wurde es ruhiger um die Location. Anfang 2018 stand das „Bistro Hollywood“ dann sogar kurz vor dem Aus. Der Termin für eine Zwangsversteigerung war bereits angesetzt, erst im letzten Moment sprang eine Person aus dem Umfeld der NPD ein und übernahm die finanziellen Verbindlichkeiten. Scheinbar ist das Haus für die hessische Szene doch zu wichtig. Schließlich ist es derzeit die einzige Immobilie, über welche die NPD in Hessen frei verfügen kann. Dennoch eignet es sich nur bedingt als Veranstaltungsort, da das Fassungsvermögen begrenzt und das „Ambiente“ eher antiquiert ist. Mit dem neuen Konzept wird nun versucht, die Attraktivität zu erhöhen und das „Hollywood“ nach der gerade noch abgewendeten Insolvenz auch finanziell wieder tragfähig zu machen. Die Immobilie soll nun einer „Generalüberholung“ unterzogen werden, um „sich einem weitläufigeren Publikum [zu] öffnen“. Parallel sollen unter dem Namen „Club H5 als privat deklarierte Konzerte „für ausgewähltes Publikum“ angeboten werden, so die Organisatoren im Interview mit der „N.S. Heute“. Der „Club H5“ ist allerdings nur zu Gast, die Oberhand über die Immobilie behält die NPD.

Die Organisatoren hinter dem „Club H5“

Hinter dem „Club H5“ stehen zwei Neonazis, die in den vergangen Jahren immer wieder im Lahn-Dill-Kreis auffällig wurden. Der eine ist Lars Schulz, der versucht, sich unter dem Pseudonym „Julius S Tahl“ zu präsentieren. Der andere hält seinen Namen in dem Interview zurück, es deutet aber alles daraufhin, dass es sich um den Wetzlarer Neonazi Danny Wolff handelt.

Lars Schulz tritt seit drei Jahren exponiert auf. Er kommt aus Dillenburg und organisierte erstmals 2015 mit dem Zusammenschluss „Haiger steht auf“ rassistische Aufmärsche und Kundgebungen in der Region. Im Dezember 2016 meldete er einen Fackelmarsch für die NPD in Dillenburg an, zu dem allerdings nur etwa 35 Personen kamen. Im Folgenden suchte er vermehrt die Nähe zu überregionalen Neonazis, vor allem zu Melanie Dittmer aus dem Rhein-Sieg-Kreis (NRW), die in den Jahren 2014 bis 2017 mehrere Aufmärsche in Wetzlar anmeldete. Bei einem Aufmarsch am 22. April 2017 war Schulz auch Teil des Orga-Teams, mittlerweile war er mit Dittmer und weiteren Personen der „Identitären Aktion“ im Freundeskreis Rhein-Sieg organisiert. Parallel schloss sich Schulz mit mehreren Skinheads aus dem Lahn-Dill-Kreis zur „Ortsgruppe Lahn-Dill“ der „Berseker“ zusammen und wurde deren „Leader“. Die Gruppe wurde im Januar 2018 Ziel von polizeilichen Ermittlungen und Hausdurchsuchungen. Daraufhin löste Schulz die Gruppe auf, fand aber bald ein neues Betätigungsfeld: das Rechtsrock-Geschäft. 2018 suchte er immer wieder die Nähe zur Dortmunder C18-Band „Oidoxie“. Bei dem geplanten NPD-Konzert im März 2018 in Wetzlar zählte er zum Orgateam. Mit dem„ Club H5“ baut Schulz sein neues Betätigungsfeld weiter aus.

Bei Danny Wolff handelt es sich um einen langjährigen Aktivisten der mittelhessischen Naziszene. Er gilt als Selbstdarsteller, der sich aber immer wieder an Projekten beteiligt. Er war seit deren Gründung im Jahr 2008 exponiertes Mitglied der „Autonomen Nationalisten Wetzlar“ (ANWZ). Die Gruppe war höchst gewalttätig. Im März 2010 verübten Neonazis aus dem Umfeld der ANWZ in Wetzlar ein Brandanschlag auf das Haus eines Kirchensozialarbeiter (vgl. Lotta #43, S. 26-27). Wolff zog es kurz darauf nach NRW, nach einem kurzen Gastspiel in Dortmund kehrte er allerdings nach Wetzlar zurück. Er suchte die Nähe zu unterschiedlichen Strukturen in Hessen: lokalen NPDlern, der Kameradschaften-Szene im Lumdatal oder Marburger Burschenschaften (vgl. Lotta # 56, S. 31-32) Seine Kompetenzen liegen vor allem im Bereich Design und Vermarktung. Aktuell tritt er unter dem Label „Media Pro Patria“ auf. Eben dieses Label steht auch auf dem Flyer für den ankündigten Club H5-Liederabend.

Alte Location im neuen Gewand

Der „Club H5“ kann als eine logische Konsequenz aus der Organisationsschwäche der hessischen Naziszene (vgl. Lotta #71) gewertet werden. Mit dem neuen Konzept sollen Synergieeffekte erzeugt werden, um auch mit wenig Kräften einen möglichst großen Output zu produzieren. Die beiden Organisatoren verfügen über das Potenzial, die Location in Leun-Stockhausen zumindest semiprofessionell zu bespielen. Mit der Idee des „Wanderclubs“ halten sie sich aber zugleich die Option offen, auf andere Orte auszuweichen und den Happeningcharakter klandestin organisierter Konzerte beizubehalten.

Nüchtern betrachtet, wird eine lang genutzte Immobilie von altbekannten Kadern reaktiviert. Mit Blick auf den Werdegang der in das Projekt involvierten Personen erscheinen Streit und Scheitern mehr als wahrscheinlich. Allerdings darf der „Club H5“ nicht unterschätzt werden. Konzerte sind einer der wichtigsten Vernetzungs- und Sozialisationsorte der extremen Rechten, durch die „alte Hasen“ ihre Anbindung an die Szene aufrecht erhalten und neue Menschen auf einfachem Wege an die Szene herangeführt werden. Insbesondere in der lose organisierten hessischen Szene waren und sind Partys und Konzerte ein wichtiger Bestandteil der politischen Arbeit.

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