GM: Ratssitzung mit Strafanzeige

Radevormwald – Es sollte die Fortsetzung der von „pro NRW“ im Mai ausgerufenen „Ratsoffensive“ in Radevormwald werden. Doch diese „Offensive“ kam ins Stocken. „Pro NRW“-Fraktionsvorsitzende Tobias Ronsdorf selbst beispielsweise musste seine Teilnahme an der Stadtrats-Sitzung vom Dienstag nach dem Tagesordnungspunkt 16 erst einmal unterbrechen. Im Eingang des Bürgerhauses wartete die Polizei, die eine Anzeige gegen Ronsdorf aufnehmen wollte.

Was war geschehen? Ein Antrag des linken Stadtrats Fritz Ullmann, die Stadt Radevormwald möge dem kommunalen Bündnis „Städte für das Leben – Städte gegen die Todesstrafe“ beitreten und sich gegen die Vollstreckung der Todesstrafe an dem als politischen Häftling bekannten US-Amerikaner Mumia Abu Jamal aussprechen, hatte „pro NRW“ auf den Plan gerufen. Wenige Tage vor der Sitzung reichte die selbst ernannte „Bürgerbewegung“ einen eigenen Gegenantrag nach. „Pro NRW“ forderte darin, anstelle von „Städte für das Leben“ dem Bündnis „Städte gegen Islamisierung – Cities against islamisation“ beizutreten, das sich allerdings nicht aus Kommunen sondern aus Rechtsaußen-Parteien wie der FPÖ zusammensetzt.*

Die Antragsbegründung, eine seiner wenigen frei gehaltenen Wortbeiträge, nutzte Ronsdorf, um Front gegen den Linke-Stadtrat zu machen. Ihn wundere es nicht, dass dieser sich für einen „Polizistenmörder“ einsetze, schließlich huldige Ullmann im Internet auch der „mörderischen Roten Armee“, pöbelte Ronsdorf. Anlass für Ullmann, die Polizei einzuschalten, war die nachfolgende Unterstellung Ronsdorfs, Ullmann würde Sachbeschädigungen in Radevormwald begehen. Der linke Stadtrat zeigte Ronsdorf wegen Verleumdung an.

Sinnfreie Anträge

Insgesamt stellte „pro NRW“ am Dienstag sechs Anträge und zwei Anfragen. Der erste Antrag forderte die Abschaffung des Integrationsrates. Auf eine inhaltliche Begründung verzichteten die Rechten in der Sitzung. Stattdessen ließen sie die Ratsmitglieder nicht wie üblich per Handzeichen, sondern namentlich auf Zuruf abstimmen. In einem zweiten Antrag forderte die „pro NRW“-Fraktion, angeblich ganz uneigennützig, die Plakatierungshilfen des Baubetriebshofes abzuschaffen und stattdessen die freie Plakatierung in Wahlkampfzeiten zu erlauben. Ronsdorf unterstellte, die „Politiker sind sich zu fein, ihre Arbeit selbst zu machen“. In Wirklichkeit begrenzen die Plakatierungshilfen die Wahlwerbung im öffentlichen Raum. Das massenhafte Aufhängen von Werbeplakaten ist „pro NRW“ – ebenso wie den anderen Parteien auch – deswegen untersagt.

Einen Antrag zur Einrichtung einer BMX-Anlage zog „pro NRW“ zurück. Man wolle nun die Aktivitäten der Stadtverwaltung in dieser Frage „kritisch begleiten“, hieß es in der von Ronsdorf verlesenen Erklärung.

„Pro NRW“ verschleiert

Für Gelächter sorgte indes der Antrag für ein „Verbot der Ganzkörperverschleierung der öffentlich Bediensteten der Stadt Radevormwald“. Dass je eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung der bergischen Kleinstadt eine Burka getragen habe, dafür konnte auch der „pro-NRW“-Stadtrat Alexander Vogt kein Beispiel nennen. Solche Fälle gebe es in Radevormwald zwar nicht, allerdings in Städten wie Frankfurt am Main, glaubte der ansonsten schweigsame Abgeordnete in seiner zwei Sätze langen Antragsbegründung zu wissen.

Die Anträge und Anfragen von „pro NRW“ lassen sich in drei Kategorien einteilen. Ein Teil soll bürgernahe und von den übrigen Parteien angeblich vernachlässigte Sachthemen bedienen (BMX-Anlage, „Marodierende Horden auf Radevormwalder Spielplätzen?“), ein zweiter Teil bedient zuvorderst rassistische Ressentiments (Burka-Verbot, Abschaffung des Integrationsrates). Die restlichen Initiativen im Rat dienen „pro NRW“ der Artikulation ihrer eigenen Partei-Interessen und der Diffamierung von Initiativen gegen Rassismus (Plakatierung, Anfrage zum „Runden Tisch gegen Rechts“). Alle „pro NRW“-Anträge wurden am Dienstag einstimmig abgelehnt.

Die Einflüsterer

Seit 2009 sitzt die angebliche „Bürgerbewegung“ im Rat der Stadt Radevormwald, die meiste Zeit war von der Zwei-Mann-Fraktion dort nichts zu vernehmen. Erst in der Sitzung im März dieses Jahres äußerte sich Ronsdorf ausführlich und hielt unter anderem eine Haushaltsrede.** Seit dem Frühjahr erhält Ronsdorf Unterstützung von seinem Parteifreund Andre Hüsgen. Hüsgen, der fast zehn Jahre lang Mandatsträger der Republikaner war, 2009 auf der Liste der NPD in der Stadtrat von Ennepetal zog und 2010 schließlich zu „pro NRW“ wechselte, verweilt bei Ratssitzungen regelmäßig auf der Besuchertribüne. Gemeinsam mit dem „pro NRW“-Bezirksvorsitzenden Udo Schäfer und der Wuppertaler „pro“-Kreisvorsitzenden Claudia Gehrhardt „souffliert“ Hüsgen von den Besucherplätzen.

Tobias Ronsdorf, der seine Unsicherheit in den parlamentarischen Geflogenheiten und der freien Rede durch ein betont jugendliches Auftreten überspielt, sucht immer wieder die Rückversicherung bei den älteren Parteifreunden. Am Dienstag allerdings war Ronsdorf weitestgehend auf sich alleine gestellt. Die zwei Sitzreihen direkt hinter den Ratsmitgliedern waren entfernt worden. Wer ihm jetzt „zuflüstern“ wollte, hätte schon rufen müssen. So blieben „pro NRW“ nur die Unterbrechungen, um hektisch das weitere Vorgehen zu beratschlagen. (hp)

* /nrwrex/2011/06/gm-pro-nrw-noch-mal-offensiv

** /nrwrex/2011/03/gm-ex-npdler-h-sgen-soll-vorbild-sein