KEMPEN – Die Neonazis von den „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) aus Krefeld hatten am Samstagabend eine Idee: Eine „Spontandemonstration gegen Kinderschänder“ sollte es sein. Ein Video von der Aktion stellten sie ins Internet – und ernten aus der Szene nun Spott, Kopfschütteln und mitleidige bis scharfe Kritik.
Sieben Minuten und 18 Sekunden lang ist das Video – ein Bild des Jammers, wie nicht wenige „Kameraden“ meinen. In verwackelten Bildern sieht man eine vielleicht zehnköpfige Truppe hinter einem NPD-Transparent durch das abendliche, verregnete und annähernd menschenleere Kempen, Krefelds westliche Nachbarstadt im Kreis Viersen, laufen. Zum Teil tragen sie eine Kluft, inklusive Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln, die vor einem Jahrzehnt als neonazi-typisch anzusehen war, aber seither nicht mehr. Dazu gibt’s Musik, die – per Megaphon verstärkt – durch die Straßen scheppert.
Die Kritik an der Aktion ist deutlich, vor allem beim Neonazi-Portal „Altermedia“. „Mit Stiefel weiss geschnürrt. Peinlich. Auf einer Demo von der NPD hat sowas nichts zu suchen. Könnt ihr nicht mal wie ein normaler Bürger auftreten? Dann wählt uns auch mal einer“, rüffelt einer der Kommentatoren den Neonazi-Nachwuchs vom Niederrhein. Ein Kamerad stimmt ihm zu: „ich hau mich weg, is nicht euer ernst..? ja die npd-nrw weiss zu mobilisieren. paar birnen verschrecken auch noch den letzten shopper in der eh fast leeren einkaufsmeile..“ „Aktivisten“ mit Springerstiefeln? Er habe gedacht, dass so etwas in Westdeutschland ausgestorben, wundert sich ein nicht mehr ganz junger Neonazi aus dem Norden, der lange in der Szene aktiv ist.
„Zeckman“ kann es nicht fassen, was er sieht und flüchtet sich in Verschwörungstheorien: „Also ich glaube ja viel aber dass dann doch nicht. Die sind doch garantiert vom Verfassungsschutz angeheuert um mit ihrem Skinoutfit die letzten Sympathien für Neonazis zu verscherzen.“ Kommentator „Blücher“ assistiert: „Mann, seid ihr Panne. Aber die Führungsoffiziere wirds freuen.“
Auf der Facebookseite der Krefelder Neonazis versucht es ein „Kamerad“ aus dem Ruhrgebiet noch einmal mit gutem Zureden: „Leute, euer Aktivismus in allen Ehren! Ich finds ja super. Aber bitte, bringt den Leuten bei dass so ein Auftreten völlig kontraproduktiv ist! Gerade Mütter und Väter haben vor Gestalten mit Springerstiefeln, weißen Schnürsenkeln, hochgekrempelter Hose und Stahlglatze ebenso viel Angst wie vor einem Kinderschänder! Das muss man doch mal einsehen. Hier gehts um Deutschland, und nicht um eure eig. Affinität zu so einem Dress!“
Ein älterer Neonazi aus Krefeld – womöglich froh darüber, dass die NPD in der Seidenstadt überhaupt über eine wahrnehmbare JN-Gruppe verfügt – versucht hingegen, die Lage zu beruhigen: „Man sollte nicht immer das Haar in der Suppe suchen. Sooo schlimm sieht da ja nun wirklich keiner aus. Außerdem handelte es sich ja um eine spontane Aktion junger Leute und man sollte nicht erwarten, daß die an einem Samstagabend in Anzug und Krawatte rumlaufen.“ Und auch Philippe Bodewig, Pressesprecher der Krefelder NPD und stellvertretender „Landesbeauftragter“ der JN meldet sich zu Wort: „Die Kameraden sollten selbst wissen was sie tragen und was nicht. Wenn wir alles und jeden maßregeln, dann finde ich das defintiv übertrieben. Ich halte es für wesentlich wichtiger, die Kameraden erst mal weltanschaulich zu festigen.“
Bodewig, der selbst bei öffentlichen Aktionen zuweilen im schwarzen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte auftaucht*, dürfte vor allem aber ahnen, dass seine JN-Basis in der Region deutlich bröckeln könnte, würden die Springerstiefel, Tarnhosen und Bomberjacken bevorzugenden Neonazis nicht mehr dazugehören. (ts)