AACHEN/DÜREN – Im Märkischen Kreis erklären „parteifreie“ Neonazis, dass sie nicht mehr mit dem NPD-Kreisvorsitzenden Timo Pradel zusammenarbeiten mögen.* In Siegen verlässt Kreistagsmitglied Stephan Flug die Partei.** Und auch im Raum Aachen/Düren schwelen alte Konflikte weiter. In Aachen soll der NPD-Kreisvorsitzende Willibert Kunkel bei einer Jahreshauptversammlung nicht wiedergewählt worden sein. Umgehend sei die Neuwahl für „nicht regelgerecht und somit ungültig“ erklärt worden.
Das jedenfalls behauptet der nicht namentlich genannte Autor eines Textes, der auf den Internetseiten der neonazistischen „Aktionsgruppe Rheinland“ und der „Freien Nationalisten Euskirchen“ verbreitet wurde. Stil und Argumentationsweise deuten darauf hin, dass der vormalige Dürener Kreisvorsitzenden Ingo Haller hinter der Veröffentlichung stecken könnte.
Haller galt als einer der wichtigsten Vertreter des offen neonazistischen Flügels innerhalb der nordrhein-westfälischen NPD, der inzwischen im Landesverband in der Minderheit ist. Nach einem Landesparteitag im vorigen September war ein Ausschlussverfahren gegen ihn und seine beiden Stellvertreter im Dürener Vorstand, Rene Laube und Rene Rothhanns, eingeleitet worden.*** Alle drei waren ihrer Ämter enthoben worden. Kunkel sollte als Chef des Nachbarkreisverbands Aachen die NPD in Düren kommissarisch führen.
Gegen Kunkel erhebt der ungenannte Autor des nun veröffentlichten Textes direkt und indirekt massive Vorwürfe. Seine Wahlniederlage bei der Jahreshauptversammlung habe er sich in keiner Weise eingestehen wollen, schreibt er. Kunkel habe bei Stimmberechtigten nachgefragt, warum sie nicht ihn gewählt hätten und ihnen gesagt, „dass sie dies gefälligst bei einer Neuwahl zu machen hätten“. Kunkel-Gegner sind demnach an ihren Arbeitsplätzen sogar geoutet worden: „Besonders fragwürdig ist, dass Mitglieder, von denen bekannt ist, dass sie Kunkel nicht gewählt haben, auf einmal anonyme Anrufe bei ihren Arbeitgebern erhalten, mit dem Hinweis, dass man NPD Mitglieder eingestellt hätte.“ Im Zusammenwirken mit dem Landesvorsitzenden Claus Cremer sei es dem bisherigen Aachener NPD-Chef schließlich gelungen, die Neuwahl und damit seine Abwahl aus formalen Gründen für ungültig erklären zu lassen.
Auch einige weitere Gründe, warum der Autor eine so tiefe Abneigung gegen Kunkel hegt, werden in dem Beitrag deutlich. Zum einen wegen dessen angeblicher Inaktivität im Landtagswahlkampf des vorigen Jahres – erst Haller habe als damaliger stellvertretender Wahlkampfleiter dafür gesorgt, dass die NPD auch im Raum Aachen aktiv geworden sei. Zum anderen wegen Kunkels Rolle beim Ausschlussverfahren gegen die Dürener Funktionäre. Der Stolberger NPD-Funktionär habe nicht nur für die Einleitung des Verfahrens gegen seine „langjährigen, treuen Weggenossen“ Haller und Laube gestimmt. Er habe darüber hinaus selbst „das Dürener Zepter an sich reißen“ wollen.
Über die Ausschlussanträge ist offenbar noch nicht abschließend entschieden. Glaubt man dem Autor, liegen die Akten derzeit beim Bundesschiedsgericht der Partei.****
Bleiben schließlich in dem Beitrag des anonymen Autors noch die üblichen Vorwürfe gegen Cremer, die seit Monaten von Haller und seinem Umfeld zu hören sind. Er sei nicht in der Lage, die Geschäfte des Landesverbandes zu führen; er habe die Landtagswahl vergeigt; er stehe im Verdacht „karrieregeil“ zu sein; er führe die NPD auf einen eher bürgerlichen Kurs, „anstatt – so wie in der Vergangenheit – ehrlich und unverwechselbar zu bleiben“; er verweigere die Zusammenarbeit mit „freien Kräften“, sprich: „parteifreien“ Neonazis; er dulde (Ex-)Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im Landesvorstand.
Eine personelle Alternative zum aktuellen Landesvorsitzenden hat der ungenannte Autor auch schon parat: Es sei doch so, schreibt er und scheint es tatsächlich ernst zu meinen, „dass Haller ein ernstzunehmender Gegenkandidat für Claus Cremer war und immer noch ist“. (ts)
* /nrwrex/2011/08/mk-npd-funktion-r-pradel-im-zoff-mit-parteifreien-neonazis
** /nrwrex/2011/08/si-ab-flug-aus-der-npd
und
/nrwrex/2010/10/nrw-wenig-spektakul-rer-rausschmiss
**** /nrwrex/2011/04/lesetipp-npd-ausschluss-von-ns-fans-zun-chst-gescheitert