IBBENBÜREN (KREIS STEINFURT) - „Eins ist klar: Es gibt keinen Hopstener Nationalsozialistischen Untergrund, der aus dem Verborgenen gehandelt hat“, stellte der Richter in seiner heute verlesenen Urteilsbegründung fest. Der Brandanschlag auf ein von aus Albanien stammenden Familien bewohntes Haus in der kleinen Gemeinde Hopsten (ca. 7.500 EinwohnerInnen) habe keinen politischen Hintergrund gehabt. Warum die sechs Angeklagten allerdings in der Nacht des 13. April 2012 einen selbstgebauten Molotow-Cocktail auf einen Balkon des Hauses warfen, konnte nicht zufriedenstellend geklärt werden. Dass die sechs deutschen Hopstener sich der versuchten Brandstiftung bzw. der Beihilfe zu dieser schuldig gemacht haben, daran ließ das Gericht allerdings keinen Zweifel.
„Ich hatte dann die Idee, zu den Albanern zu gehen.“
Viele Fragen zur Tatmotivation blieben offen, weil das Gericht offenbar wenig Interesse zeigte, die Hintergründe der Tat aufzudecken. Es gab sich mit den Einlassungen der Angeklagten zufrieden, in denen diese die Straftaten gestanden. Eine rassistische Motivation stritten sie ab. Besonders Daniel M. (21 Jahre), der den Molotow-Cocktail auf das Haus warf, hatte sich gegenüber der Polizei ausführlich erklärt. Demnach habe sich die Gruppe „im Dorf“ getroffen und sei zu einem Angeklagten nach Hause gegangen. Dort sei ihnen die Idee zum „Scheiße bauen“ gekommen und man habe beschlossen, einen „Molli“ aus einer Bierflasche und Spiritus zu bauen. „Ich hatte dann die Idee, zu den Albanern zu gehen“, so M. Daraufhin zeigte der Richter ein Foto des Hauses und kommentierte es mit den Worten: „Man stellt sich ja vor, wo die so wohnen. Aber das scheint ja ein normales Haus zu sein.“
Warum sie den Brandsatz ausgerechnet gegen das Haus „der Albaner“ warfen, wurde nur knapp thematisiert. „Die“ hätten mal einen namentlich nicht näher benannten Kumpel von ihnen zusammengeschlagen, meinte der Angeklagte M. Das Gericht schloss daraus, dass „Revanche“ ein mögliches Motiv sein könnte, setze aber die Befragung zu diesem Sachverhalt nicht weiter fort. Mit welchem der Hausbewohner es einen Streit gegeben haben soll, wurde nicht geklärt. Auch die betroffene Familie konnte sich nicht äußern. Die Betroffenen waren nicht als ZeugInnen geladen.
„Kein rechtsradikaler Hintergrund“
Die laut Tagespresse gegenüber der Polizei getätigte Aussage eines Angeklagten, in einem Dorf wie Hopsten hätten "Ausländer" nichts zu suchen, wurde vom Gericht nicht aufgegriffen. Die Staatsanwaltschaft fragte lediglich die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, ob sie etwas zur politischen Einstellung der Täter sagen könne. Die Sozialarbeiterin verneinte ausdrücklich einen „rechtsradikalen Hintergrund“. Sie bescheinigte allen Angeklagten reumütiges Verhalten und eine günstige Sozialprognose. Für die Staatsanwaltschaft war damit geklärt, dass es „einen rechtsradikalen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Hopsten nicht gegeben hat“. Vielmehr hätten die Angeklagten ein „Spiel mit einem Molli“ betrieben, dies allerdings hätte verheerende Auswirkungen haben können.
Nur ein Zufall verhinderte Tote und Verletzte
Der von M. geworfene Molotow-Cocktail flog auf einen Balkon des Mehrfamilienhauses, zerplatzte aber nicht. Eine dort gelagerte Matratze habe, so der Richter, eine „segensreiche Wirkung“ erzielt, in dem sie den Aufprall abdämpfte. Der brennende Lappen entzündete die Matratze, richtete aber keinen großen Schaden an. Es sei nur ein Zufall gewesen, dass der Brandsatz das Haus nicht in Brand gesetzt und die dort schlafenden BewohnerInnen gefährdet habe. Man müsse glücklich sein, dass keine Toten zu beklagen seien, so der Richter. Dass sich im Haus Menschen aufhielten, wussten die Angeklagten, weil sie Licht gesehen hatten.
Nach ihrer Flucht vom Tatort begaben sich zwei der Angeklagten nach einiger Zeit wieder zu dem Wohnhaus. Nach Aussage des Angeklagten M. habe man erkannt, dass man „Scheiße gebaut“ habe und wollte nun „Schlimmeres“ verhindern. Am Tatort angekommen, wurden sie von zwei Nachbarn entdeckt, die die brennende Matratze und den Brandsatz auf die Straße warfen.
„Warm-up“ auf dem ALDI-Parkplatz
Die Polizei konnte am Tatort ein Foto der in schwarz gekleideten Gruppe machen. Aus den anfänglichen Zeugen wurden im Laufe der Vernehmungen Beschuldigte. Im Zuge der Ermittlungen stellte die Polizei zudem fest, dass drei der Angeklagten an einem Wochenende vor der Tatnacht einen Molotow-Cocktail auf dem ALDI-Parkplatz entzündet hatten. Sie hätten sich damit eines Verstoßes gegen das Waffengesetz schuldig gemacht. Der Richter bezeichnete die Tat als „eine Art Warm-up“ für den Brandanschlag.
Sozialstunden und „Anti-Gewalt-Training“
Das Jugendschöffengericht Ibbenbüren verurteilte drei der jugendlichen Täter im Alter von 16, 18 und 21 Jahren zu je 140 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Ein zum Tatzeitpunkt bereits 22-jähriger Hopstener wurde nach dem Erwachsenenstrafrecht zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, sowie 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Zwei 17 und 16 Jahre alte Angeklagte, die sich wenige Meter vor dem Tatort von der Gruppe entfernten, wurden wegen Beihilfe zu 60 bzw. 100 Sozialstunden verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die sechs die Tat gemeinschaftlich vorbereitet hatten. Zwar hätten sich zwei Angeklagte durch ihr wortloses Entfernen distanziert, dies genüge aber nicht, um ihren Tatbeitrag ungeschehen zu machen. Sie hätten sich der Tatausführung zivilcouragiert entgegenstellen müssen. Alle Angeklagten erhielten vom Gericht die Auflage, an einem „Anti-Gewalt-Training“ sowie einem „Täter-Opfer-Ausgleich“ teilzunehmen, sofern die betroffene Familie dazu bereit sei. Das Gericht folgte damit im Wesentlichen den Forderungen der Staatsanwaltschaft und den Empfehlungen der Jugendgerichtshilfe.
„Tat hätte jede Familie in Hopsten treffen können“
In seiner Urteilsbegründung stellte der Richter klar, dass aus einem „Dummen-Jungen-Streich“ auf dem ALDI-Parkplatz eine „extrem gefährliche Tat“ geworden sei, die Menschenleben gefährdet habe. Das Gericht habe sich mit der Tatmotivation beschäftigt und sei zum Schluss gekommen, dass die Tat aus Langeweile, Sensationslust und persönlichen Rachegefühlen sowie mit einem erheblichen Maß an Dummheit und Ignoranz begangen worden sei. Viele Menschen im Land fühlten sich nun sicher erleichtert, dass es „keine braunen Gewächse“ im Münsterland geben würde. Dies sei aber kein Grund zu Erleichterung, denn die Tat hätte „jede Familie in Hopsten treffen können, unabhängig von ihrer Herkunft“.
Kommentar
Diese Bewertung des Gerichtes stützt sich alleine auf die Aussagen der Angeklagten sowie der Polizei, denen die jungen Männer nicht als organisierte Rechte bekannt sind. Im Prozess wurde der Frage der Wahl der Opfer nicht nachgegangen, ebenso wenig wie versucht wurde, die von den Angeklagten behaupteten „persönlichen Reibereien“ mit „den Albanern“ näher zu beleuchten. Selbst wenn es einen Streit gegeben haben sollte: Warum dachten die Angeklagten, es sei deswegen gerechtfertigt, das Mehrfamilienhaus anzuzünden? Oder anders gefragt: Warum zünden junge Männer aus „Langeweile“ und „Sensationslust“ mitten in der Nacht ein bewohntes Haus an und nicht eine verlassene Scheune irgendwo auf einem Feld? Welche Rolle spielten Vorbehalte gegenüber den BewohnerInnen? Fragen, auf die dieser Prozess keine befriedigenden Antworten geben konnte. Und so erscheint hinter dem vehement von allen Beteiligten vorgebrachten Ausschluss einer rassistischen Tatmotivation doch ein Fragezeichen.