Gehirnwäsche-Forscher und Chemtrail-Experten

Das verschwörungstheoretische Umfeld der AfD

Vor zwei Jahren galt es noch als unschicklich, in der AfD allzu verschwörungstheoretisch unterwegs zu sein. Im Herbst 2016 war es hingegen förderlich, wenn man in den Landtag will.

Vor zwei Jahren galt es noch als unschicklich, in der AfD allzu verschwörungstheoretisch unterwegs zu sein. Im Herbst 2016 war es hingegen förderlich, wenn man in den Landtag will.

In den fünf Bezirksvorständen der AfD hatte man im Herbst 2014 eine Idee. Der AfD sollte Wissen vermittelt werden. Und wie es sich für eine Partei gehört, die das „Alternative“ im Namen trägt: alternatives Wissen. „DIE Plattform für ,Alternatives Denken“ wollte man schaffen: mit einem „Alternativen Wissenskongress“ (AWK) in Witten und mit Referenten, die „Klartext statt 'politisch korrekt' reden“.

Dies waren unter anderem: Compact-Chef Jürgen Elsässer, Andreas Popp, einer der Macher der Wissensmanufaktur, und Eberhard Hamer, der Leiter eines Mittelstandsinstituts Niedersachsen, dessen „krudes Weltbild“ die FAZ so zusammenfasst: „Eine Weltregierung aus wenigen wohlhabenden amerikanischen Familien habe einst den Plan ausgeheckt, sich die Welt untertan zu machen.““

Den auf ein halbwegs seriöses Erscheinungsbild bedachten Parteigründer Bernd Lucke packte das Grausen. „Unter den Referenten scheinen sich Verschwörungstheoretiker und Wirrköpfe zu befinden“, befand er. Sogar Landeschef Marcus Pretzell setzte sich ein wenig von den Initiatoren ab. Ihm fehlte die „Ausgewogenheit“: „Man kann über alles diskutieren, aber dann müssen auch Vertreter unterschiedlicher Auffassungen an einen Tisch.“ Sein Landesvorstand habe mit der Veranstaltung nichts zu tun.

Luckes Rat, ihr Konzept zu überdenken, schlugen die Organisatoren in den Wind. Allerdings wurde der Veranstalter „formal“ ausgetauscht. Statt der AfD-Bezirke lud ein eilig gegründeter Verein zur Förderung des politischen Dialogs ein. Die Crew der Organisatoren blieb zusammen: Sebastian Schulze, Vorsitzender des Vereins und Vize-Sprecher im AfD-Bezirk Arnsberg, Udo Hemmelgarn und Ingo Schumacher, Chefs der AfD-Bezirke Detmold und Köln, sowie Nic Vogel, damals stellvertretender Sprecher des Bezirks Düsseldorf.

Sie hatten Erfolg. Ihr Kongress wurde schon nach der ersten Auflage zu einem Event für die Rechtsaußen in der Partei und für Verschwörungstheoretiker jeder Couleur. Beim zweiten AWK Ende Februar 2016 trat unter anderem Michael Vogt (vgl. LOTTA #60) auf, der zuweilen für eine „revolutionäre Neuordnung“ und die „Abschaffung des Parteienstaates“ zur „Herstellung wirklicher Volksherrschaft“ plädiert. Mit von der Partie war auch Christoph Hörstel. Verschwörungsgläubige empfinden ihre helle Freude, wenn er „Schluss mit 'Chemtrail'-Einsätzen gegen die Bevölkerung!“ fordert. „Seien Sie dabei, erfahren Sie alternatives Wissen aus erster Hand“, warben die Kongress-Organisatoren für ihre Veranstaltung.

Derlei Wissen sollte es auch beim ersten „Alternativen Netzwerktreffen“ der AWK-Organisatoren Mitte November geben. Als „Quelle des Wissens rund um die Souveränitätsbewegung“ priesen sie ihren Referenten Arne Freiherr von Hinkelbein an, von dem zu erfahren ist, dass Staaten nur Vereine, die Gesetze der letzten 60 Jahre nichtig und die Regierungsmitglieder „Putschisten“ sind. Erwartet wurde auch Wolfgang R. Grunwald, der „Gründer des 'Instituts für politische Gehirnwäsche-Forschung und Befreiungs-Psychologie'“.

Die Delegierten der NRW-AfD wählten Nic Vogel auf Platz neun ihrer Landesliste. Vorgestellt hatte er sich als Mitglied im Gründungsausschuss und im AWK-Orga-Team. Das Mandat ist ihm so gut wie sicher. Bleibt die Frage, ob künftig bei Expertenanhörungen im Landtag auch Gehirnwäsche-Forscher oder Chemtrail-Experten auftreten werden.