Die Neonazi-Szene im Wandel

Einleitung in den Schwerpunkt

Wer in den 1990er und 2000er Jahren Vorträge über Neonazismus oder die extreme Rechte insgesamt besuchte, erinnert sich heute gewiss an die obligatorischen Folien, die dort präsentiert wurden. Sie zeigten Kreise in verschiedenen Größen, die sich teilweise überlappten. In den größeren Kreisen stand etwa „NPD“, „Freie Kameradschaften“ und „rechte Jugendkultur/RechtsRock“, die Überschneidungen der Kreise stellten die Schnittmengen zwischen den Gruppen und Spektren dar.

Wer in den 1990er und 2000er Jahren Vorträge über Neonazismus oder die extreme Rechte insgesamt besuchte, erinnert sich heute gewiss an die obligatorischen Folien, die dort präsentiert wurden. Sie zeigten Kreise in verschiedenen Größen, die sich teilweise überlappten. In den größeren Kreisen stand etwa „NPD“, „Freie Kameradschaften“ und „rechte Jugendkultur/RechtsRock“, die Überschneidungen der Kreise stellten die Schnittmengen zwischen den Gruppen und Spektren dar. Am Rande der Folien — und sinnbildlich am Rande des Spektrums — waren kleinere Kreise mit Inschriften wie „Neue Rechte“, „REP“, „DVU“ oder was auch immer aktuell oder regional eine Rolle spielte. Die extreme Rechte war natürlich stets vielschichtiger als es derartige Diagramme zeigen konnten, zudem in ständiger Bewegung und in den einzelnen Regionen unterschiedlich aufgestellt. Selbst der harte Kern neonazistischer Gruppen war nie ein homogenes Gebilde, sondern häufig in konkurrierende Lager gespalten. Doch im Groben ließ es sich durch derartige Folien erfassen. Wer im Jahr 2022 versuchen würde, die wichtigen Player der extremen Rechten in solchen Diagrammen abzubilden, der*die würde ein völliges Durcheinander zeichnen. Szenen und Gruppen sind facettenreicher und zersplitterter denn je. Es gibt auch keinen gemeinsamen Bewegungsanspruch. Strömungen, die in den vergangenen Jahren große Rollen spielten, wie PEGIDA oder aktuell die Pandemieleugner*innen, weisen sogar von sich, überhaupt rechts zu sein. Und einige in den letzten Jahren in Erscheinung getretene rechte Terrorgruppen entwickelten sich nicht aus der Neonazi-Szene heraus.

Bei den Überlegungen zu diesem Schwerpunkt ging es uns besonders um Veränderungen in der Neonazi-Szene — mit Fokus auf NRW, Hessen und Rheinland-Pfalz. Die NPD ist nahezu bedeutungslos geworden und hängt, von den vielen „Freien Kameradschaften“ der 2000er Jahre ist fast nichts übriggeblieben, wobei sich einige in die überregional bedeutungslose Minipartei Die Rechte gerettet haben. Die Szene ist älter, sogar alt geworden. Wo also sind sie hin, die organisierten Neonazis, wie sieht es mit dem Nachwuchs aus und wo wird dieser rekrutiert? Und was bedeutet eigentlich heute „organisiert“? Solche und andere Fragen haben wir uns gestellt. Das Ergebnis sehen wir als erste Annäherung an das Thema an — und als Start für eine weitere Auseinandersetzung, in welcher Form auch immer. Welche Beobachtungen habt ihr in euren Regionen mit Blick auf die Neonazi-Szene gemacht, und wie bewertet ihr festgestellte Veränderungen? Über Rückmeldungen an die Redaktionsadresse würden wir uns freuen.

Im seinen Übersichtsbeitrag stellt Simon Tolvaj Veränderungen in der Neonazi-Szene und auch der extremen Rechten insgesamt dar und wirft daraus resultierende Fragen auf. 

Felix M. Steiner wirft einen Blick auf den Zustand der ältesten noch existierenden neonazistischen Partei. Was hat es auf sich mit den Bestrebungen, die NPD neu aufzustellen? 

Was macht heute eigentlich einen organisierten Neonazi aus? Simon Tolvaj beschäftigt sich mit der Mär vom „Einzeltäter“. 

Auf rechten Konzerten und Aufmärschen sind immer weniger junge Menschen zu sehen. Wo findet heute deren Einbindung in die Neonazi-Szene statt? Darüber spricht Britta Kremers mit Robert Claus, Maik Fielitz und Jan Raabe. 

Was ist eigentlich heute „in“ und was „out“ in der Neonazi-Szene bzw. extremen Rechten? Das Ergebnis eines Brainstormings (nicht nur) in der LOTTA-Redaktion.