Vom Querdenken zur Querfront?

Lucius Teidelbaum, freier Journalist, Publizist und Rechercheur zum Thema extreme Rechte und Mischszenen, hat mit seinem im April 2023 erschienenen Buch „Vom Querdenken zur Querfront?“ den erfolgreichen Versuch unternommen, einen näheren Blick auf die ab Frühjahr 2020 in Erscheinung getretene Szene der Pandemieleugner*innen (PL) und ihre aktuelle Entwicklung zu werfen.

Dabei thematisiert er auch die Ratlosigkeit der Zivilgesellschaft sowie der politischen Linken bezüglich Einschätzung und Umgang mit diesem Milieu. Angefangen mit einer Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Themensetzungen und dem postideologischen Selbstbild der PL-Szene arbeitet Teidelbaum sich Schritt für Schritt vor und analysiert den Einfluss verschiedener Strömungen, inhaltliche Überschneidungen und deren Historie. Die niedrigschwellig erschließbare, nicht ausschweifende, aber dennoch detailreiche Darstellung macht es auch Nichtexpert*innen möglich, Gruppen wie beispielsweise Anthroposoph innen oder Reichsbürgerinnen zu verstehen und ihre Rolle in dem Milieu zu erkennen.

Besonders in Augenschein genommen wird auch die Funktion von Szenengrößen wie Michael Ballweg und Sucharit Bhakti, verschwörungsideologischen Medien und Parteien — von der AfD bis zur während der Pandemie entstandenen Partei dieBasis. Am Ende des Buches lässt Teidelbaum die Leser*innen — trotz der knappen 80 Seiten — nicht ratlos zurück, sondern greift die Frage „Was tun?“ auf, bei deren Beantwortung er sich klar von dem pauschalisierten „Neonazi Cherry picking“ distanziert und für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema appelliert. Das Buch regt zum Nachdenken an. Auch wenn es zu keiner „Querfront“ gekommen ist: Das Potenzial hierfür wäre vorhanden. Eine Erkenntnis, die von der popolitischen Linken ernst zu nehmen ist und eine Auseinandersetzung fordert, bevor es bei der nächsten Krise zu spät ist.

Lucius Teidelbaum: Vom Querdenken zur Querfront? Corona-Proteste von rechts. Unrast-Verlag, Münster 2023, 80 Seiten, 8,90 Euro

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