Der Sprachhof, die Geschäftsstelle des VDS in Kamen-Methler.
Das Bild ist von der Straße aus aufgenommen, die Einfahrt ist von einer niedrigen Mauer begrenzt. Es sind drei Gebäude zu sehen, zwei davon im Fachwerk-Stil.

Rechte Sprechorte

Antifeminismus und AfD-Verbindungen beim „Verein Deutsche Sprache“

Beim „Verein Deutsche Sprache“ profiliert man sich schon seit über 20 Jahren in der Rolle der gekränkten Konservativen. Die Tür nach rechts war dabei immer geöffnet. Mit den immer gleichen Reden von „Sprachverhunzung“ und „Gendergaga“ reiht man sich mittlerweile nahtlos in das kulturpolitische Vorfeld der AfD ein.

Jedes Mal, wenn Björn Höcke auf seinen Social-Media-Kanälen das „dass“ noch mit Eszett schreibt, dürften bei den selbsternannten Sprachwächtern vom „Verein Deutsche Sprache“ (VDS) die Herzen höher schlagen. Schließlich wurde dieser 1997 zur Bekämpfung von Anglizismen und der Rechtschreibreform von 1996 gegründet. Ob Höcke selbst VDS-Mitglied ist, ist nicht bekannt, aber dass der Verein mittlerweile fest im politischen Vorfeld der AfD zu verorten ist, tritt immer deutlicher zu Tage.

Dies wurde bereits im März 2018 deutlich, als seitens des VDS mit Bedauern das Scheitern eines AfD-Antrags im Bundestag kommentiert wurde, der zum Ziel hatte, die deutsche Sprache im Grundgesetz festschreiben zu lassen. Treibende Kraft hinter dem Antrag war der thüringische Abgeordnete Stephan Brandner, langjähriges VDS-Mitglied und seit jeher im völkischen Milieu der Partei zu verorten. In seiner Plenarrede brachte er auch ein Power-Zitat des VDS-Vorsitzenden Walter Krämer unter: „Nur Verlierer sprechen Denglisch“. Schon im Mai 2014 hatte der VDS mit dem sogenannten Gießener Aufruf eine Art Vorlage für den AfD-Antrag formuliert und sich dabei verbal im Fundus des Rechtspopulismus bedient: Der „Verfassungsrang“ für die deutsche Sprache sei zwingend notwendig, da sie „zunehmend, ohne Rücksicht auf den Volkswillen, willkürlichem Angriff und Vernachlässigung ausgesetzt“ sei.

Personelle Schnittmengen mit der AfD

Längst ist die AfD auch personell beim VDS angekommen. Mit Regine Stephan, Kreistagsabgeordnete in Siegen-Wittgenstein und „stellvertrender Sprecher“ (sic!) des dortigen Kreisverbandes, sitzt eine Parteifunktionärin im Vorstand des VDS. Stephan arbeitet in dieser Doppelrolle aktiv an einer stärkeren Verzahnung von VDS und AfD. So organisierte sie gemeinsam mit den AfD-Mitgliedern Michael Schmidt und Brigitte Eger-Kahleis im September 2022 einen Infostand des VDS in der Siegener Innenstadt. Anlässlich der für September 2020 in Dortmund geplanten, letztlich pandemiebedingt ausgefallenen „Deutschen Sprachtage“ gab sie dem Partei-Rechtsaußen Matthias Helferich (Dortmund) ein „Interview“. Zudem war sie im Mai 2023 im Geraer Wahlkreisbüro von Brandner zu Gast, für einen Vortrag zum Thema „Genderwahn“.

Stephan war bis 2018 CDU-Mitglied und Teil der Dortmunder Ratsfraktion. Sie legte nach öffentlicher Kritik ihr Mandat nieder, nachdem sie innerhalb kürzester Zeit einem Antrag der Ratsfraktion „Die Rechte“/NPDzugestimmt und einen Artikel für das „Compact“-Magazin veröffentlicht hatte (vgl. LOTTA #87). Sie vertritt in ihren öffentlichen Äußerungen antifeministische Positionen und macht keinen Hehl daraus, dass geschlechtergerechte Sprache für sie nur Symptom einer „Zersetzung“ der Gesellschaft sei. Trotz alledem wurde sie 2022 erneut in den VDS-Vorstand gewählt.

Vorstand im Kulturkampf-Modus

Nur wenige Vorstandsmitglieder des VDS verstehen sich so auf den völkischen Jargon wie Stephan, eine grundlegende Offenheit für extrem rechte und antifeministische Positionen ist aber auch bei anderen erkennbar. VDS-Vorstandsmitglied Silke Schröder beispielsweise ist Stammautorin im AfD-nahen „Deutschland-Kurier“ und führte für das Talk-Format „Politicum“ unter anderem Gespräche mit Thilo Sarrazin, Hans-Georg Maaßen und Heimo Schwilk. Als im November 2023 nach Recherchen von „CORRECTIV“ u.a. „hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer“ intern in Potsdam zusammenkamen, um die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland („Remigration“) zu planen, war auch sie mit dabei. Der Vereinsgründer und Vorsitzende Krämer, emeritierter Statistik-Professor und Autor von Unterhaltungsliteratur, geriet zuletzt aufgrund rechter Ausfälle in die Kritik. So dokumentierte das studentische Magazin „KURT“ im Dezember 2019 „ein mutmaßliches Zitat von Adolf Hitler zum Rauchen, eine verunglimpfende Zeichnung von Greta Thunberg und ein Zitat von Ex-AfD-Vize Hans-Olaf Henkel zum Verhältnis von Demokratie und Islam“ in Krämers Büro-Schaukasten an der TU Dortmund. Später bezeichnete dieser Thunberg öffentlich als „spätpubertäre Autistengöre“. Auch Sabine Mertens, Vorstandsmitglied aus Hamburg und bis August 2023 Sprecherin der dortigen „Hamburger Volksinitiative ‚Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung‘“, lässt ihren Ressentiments freien Lauf. Gegenüber dem *„*Hamburger Abendblatt“ äußerte sie, dass Gendern „feministische Propaganda“ sei und ergänzte, dass „sich normalerweise Männer und Frauen zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen“. Beim VDS möchte sie als Leiterin der „AG Gendersprache“ bei der „Anbahnung juristischer Schritte gegen Gendernötigung“ unterstützen. Derartig offene Feindmarkierungen mit antifeministischen und sexistischen Motiven fehlen in der offiziellen Kommunikation des VDS zumeist. Nur so lassen sich wohl die rund 36.000 Mitglieder zusammenhalten.

Immer noch anschlussfähig

Anfang 2023 zog die VDS-Geschäftsstelle mit ihren 13 Mitarbeitenden von Räumlichkeiten nahe der TU Dortmund auf das Gelände eines früheren Bauernhofs in Kamen-Methler (Kreis Unna). Mit der räumlichen Vergrößerung ging auch eine Ausweitung des Angebots einher: Lesungen und Ausstellungen werden auf dem „Sprachhof“ angeboten, und das städtische Kulturbüro nutzte den Hof für ein „Jazzfrühstück“. Hier zeigt sich im Kleinen, was auch im Großen gilt: Der VDS ist nach wie vor anschlussfähig für demokratische Akteur*innen. So kommt es, dass auf VDS-Veranstaltungen politische Mandatsträger*innen oder Redakteur*innen des öffentlichen Rundfunks zugegen sind und sich – wie beim „Tag der deutschen Sprache“ im September 2021 – beispielsweise Christian Beisenherz (Redaktionsleiter WDR Dortmund) eine Bühne mit der Antifeministin Birgit Kelle teilt. Der schrullig-konservative Habitus des VDS rückt wohl die erkennbaren Verbindungen zur extremen Rechten in ein wohliges Licht. Das ist in der Selbstbespiegelung durchaus eingeübt, begreift man sich doch auch als eine Art volksnahes „Goethe-Institut“ (Selbstbezeichnung: „Das weltweite Netz der deutschen Sprache“). Tatsächlich ist der VDS ein Scheinriese, dessen Vorstand längst für rechte Kampagnen souffliert – und offenbar sogar mitdiskutiert bei der Entwicklung von Strategien. Die Frage nach „Brandmauern“ hat sich beim VDS nie wahrnehmbar gestellt, und der rechtspopulistische Tonfall gehört schon länger zu seiner DNA. Naheliegend, dass unter Aufrufen des VDS regelmäßig Figuren wie Maaßen oder Peter Hahne als Erstunterzeichner auftreten, die ein Großteil ihrer öffentlichen Darstellung auf der Erzählung des „aufrechten Konservativen“ aufbauen, aber längst am ganz rechten Rand angekommen sind.

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