Hooligans in Dortmund

„Kämpf für unser Land!“

Rechte Hooligans mobilisieren zum Kampf gegen Salafisten

Über 300 Personen folgten am 28. September dem Aufruf der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) und versammelten sich in der Dortmunder Innenstadt zum „Kennenlerntreffen“. Nur wenige der Teilnehmer\_innen waren – wie vorab erbeten – in den Farben ihres Fußballvereins gekleidet erschienen und repräsentierten optisch das erhoffte Bild von „friedlichen Fußballfans“. Die Mehrheit inszenierte sich durch das Tragen von einschlägigen Modemarken oder Gruppenbezeichnungen wie „Cologne Streetfighters“, Tätowierungen und rasierte Schädel als martialische Schläger\_innen.

Über 300 Personen folgten am 28. September dem Aufruf der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) und versammelten sich in der Dortmunder Innenstadt zum „Kennenlerntreffen“. Nur wenige der Teilnehmer_innen waren – wie vorab erbeten – in den Farben ihres Fußballvereins gekleidet erschienen und repräsentierten optisch das erhoffte Bild von „friedlichen Fußballfans“. Die Mehrheit inszenierte sich durch das Tragen von einschlägigen Modemarken oder Gruppenbezeichnungen wie „Cologne Streetfighters“, Tätowierungen und rasierte Schädel als martialische Schläger_innen.

Aus dem Netz auf die Straße

Knappe 45 Minuten dauerte der offizielle Part der Versammlung, der mit einem Gruppenfoto endete und als Erfolg verbucht wurde. „Wir haben es geschafft. Wir haben uns erfolgreich gesucht und gefunden. Wir sind stark. Wir sind da. Wir sind ‘HoGeSa – Gemeinsam gegen Salafisten’“, lautete das Resümee auf der Homepage der Gruppe, die sich zunächst über Facebook vernetzt hatte. Das Treffen in Dortmund war die dritte Aktion, mit der die HoGeSa real in Erscheinung trat. Zum ersten Mal trat die Gruppe mit ungefähr 25 Personen am 13. September in Köln auf, wo sie gegen eine geplante salafistische Veranstaltung mit Pierre Vogel demonstrieren wollte. Eine Woche später, am 21. September, trafen sich schon 80 Hooligans in Essen. Die Polizei setzte die Gruppe fest, es kam zu einigen vorläufigen Festnahmen. Die folgende Medienberichterstattung bescherte den Hooligans die erste große Aufmerksamkeit. Mittlerweile „liken“ über 20.000 Facebook-User_in­nen die Gruppe. Der Zuspruch ist gerade vor dem Hintergrund des barbarischen Krieges des IS in Syrien und dem Irak stark.

Rechte Hooligans versuchen seit Beginn des Jahres, gezielt salafistische Kundgebungen anzugreifen oder zu stören, nachdem sie sich über Facebook-Gruppen wie „Weil Deutsche sich`s noch trau`n“, „Hooligans für Deutschland“ oder „Gemeinsam sind wir stark“ virtuell vernetzt hatten. Den Auftakt dieser Entwicklung stellte ein am 8. Februar 2014 erfolgter Versuch von zirka 150 Personen in Mönchengladbach dar, eine salafistische Kundgebung mit Pierre Vogel zu stören. Unter ihnen befanden sich auch Aktivist_innen der German Defence League (GDL). Im März attackierten rund 200 rechte Hooligans in Mannheim eine Salafisten-Kundgebung mit Flaschen und Böllern. Medienberichten zufolge waren die Angreifer „größtenteils polizeibekannt“ und auch aus Stuttgart, Kaiserslautern und Karlsruhe angereist. Den Aktionen auf der Straße war zunächst eine bundesweite Organisierung von rechten Hooligans vorausgegangen, die sich 2012 in Gruppierungen wie den Gnu Honnters („Neue Jäger“) und der personell nahezu identischen Alten Schule Deutschland organisierten. „Kameraden im Geiste. Viele Farben. Dennoch eine Einheit“, lautet das Motto der Alten Schule, zu der sich Hooligans unter anderem aus Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Berlin, Darmstadt, Kaiserslautern und Stuttgart zusammengeschlossen haben. Doch während die Alte Schule Deutschland und die Gnu Honnters auf dem elitärem Anspruch der Mitgliedschaft basieren und nur ausgesuchte „Kameraden“ aufnehmen, lädt HoGeSa alle gleichgesinnten Hooligans ebenso wie „normale Bürger_innen“ zum Mitmachen ein. Man setzt bislang erfolgreich auf die Bündelung von Kräften und die Mobilisierung von Massen.

Unerwünschte Neonazis?

„Die Notwendigkeit einer Bewegung aus dem Volk heraus, die sich gegen Islamisten / Salafisten stellt, ist mehr als deutlich. Die etablierte Politik lässt das Volk im Stich und zeigt sich handlungsunfähig. Wenn wir nicht handeln, wird es niemand anderes tun“, sieht sich HoGeSa zur Eigeninitiative gezwungen, konkretisiert die eigenen Pläne oder Maßnahmen aber nicht. Als mögliche Handlungsanweisung lässt sich das martialische Logo der HoGeSa interpretieren, auf dem ein Schlagring abgebildet ist, das dem ansonsten propagierten „Gewaltverzicht“ widerspricht. Widersprüchlich ist auch die propagierte Abgrenzung von Neonazis. „Es gibt immer rechte Leute irgendwie irgendwo darunter. Die sind einfach da, die kriegste auch nicht weg (...) Wir haben damit nichts zu tun. Wir verfolgen nicht deren Ideologie“, distanzierte sich der Herner Andreas „Kalle“ Kraul („Kalle Grabowski“) am 4. Oktober 2014 per Videobotschaft und erweckt damit den Eindruck, dass Neonazis bislang als unerwünschte Gäste teilgenommen hätten.

Kraul, der in Herne das Studio Tattoo by Kalle betreibt, trat auch in Essen und Dortmund als HoGeSa-Sprecher auf. Seiner Distanzierung widerspricht nicht nur die große Akzeptanz, die in Dortmund den anwesenden Aktivisten von Die Rechte entgegengebracht wurde, sondern auch, dass er bei seinem ersten TV-Interview in Essen ein T-Shirt mit einem Reichsadler-Motiv der Marke Erik and Sons trug. Beim Blick in die Profile von HoGeSa-Sympahtisant_innen finden sich oftmals rechte Modemarken, nationalistische und rassistische Sprüche oder Sympathiebekundungen für Parteien wie die NPD. Auch Kraul postete dort eine schwarz-weiße-rote Fahne mit dem Slogan „Nationaler Widerstand“ oder einen gegen Asylbewerber_innen gerichteten Song des Berliner Neonazi-Rappers Patrick Killat.

Führungskämpfe

Hinter den Kulissen toben bereits Konflikte um die Kontrolle über das erfolgreiche Projekt. „Hallo Brüder und Schwestern. Es gibt momentan einige Unklarheiten zwischen den Gründern von Ho.Ge.Sa und Ho.Ge.Sa Stuttgart. Ich habe diese Gruppe gegründet, um im Raum Stuttgart und Süddeutschland die Jungs zu vereinen, da die Hauptgruppe gesperrt war“, vermeldet ein User in der Facebook-Gruppe Ho.Ge.Sa Stuttgart und nimmt Bezug auf die Löschung des Facebook-Accounts von HoGeSa. Nach Löschung der Seite ging HoGeSa mit einer eigenen Website (hogesa.eu) online, welche die Initiator_innen aber seit dem 6. Oktober nicht mehr kontrollieren. Der „Ansprechpartner“ der Seite habe sich als unzuverlässig erwiesen, hieß es. An anderer Stelle wurden Vorwürfe laut, der Admin sei nie ein richtiges Mitglied im „Orga-Team“ gewesen und verfolge kommerzielle Interessen. Einen Tag, nachdem der Konflikt um hogesa.eu ausbrach, wurde dort auch eine Pressemitteilung veröffentlicht, die eine Trennung von Dominik Roeseler bekannt gab. „Aufgrund seiner Kundgebungen, die er alleine und entgegen dem Willen der betreffenden Führungspersonen von Hogesa.eu getätigt hat ist festzustellen, dass dies nicht in unserem Interesse geschehen ist“, hieß es dort. Roeseler ist Parteivorstandsmitglied der Bürgerbewegung pro NRW und sitzt für die Partei im Mönchengladbacher Stadtrat. Er nahm an der Aktion in Essen teil und fungierte in Dortmund als Anmelder und Versammlungsleiter. Seine Beteiligung hatte zu Warnungen vor einer parteipolitischen Instrumentalisierung geführt. Auch gegen einen anderen Aktivisten wird auf hogesa.eu Stimmung gemacht: „(...) wir distanzieren uns von Niclas Besen und Konsorten (...) Da würde mal wieder was hinter unserm Rücken gemacht.“, hieß es bezugnehmend auf den Verkauf von T-Shirts. Über die ursprüngliche Facebook-Seite „Gemeinsam sind wir stark“ werden diese T-Shirts aber weiterhin angeboten. Dort wurde auch verkündet, dass die „offizielle Website“ nun hogesa.info laute.

Aufbau von Strukturen

Der Führungsstreit führte nicht zur Auflösung des Projektes, sondern sorgte vielmehr dafür, dass sich klarere Strukturen herausbildeten. Bei einem Treffen des „Orga-Teams“ am 12. Oktober wurden die Regionen Nord, West und Süd geschaffen, denen ein „Regionalleiter“ nebst „Stellvertreter“ vorstehen. Für die Region Ost wird noch kein „Regionalleiter“ genannt. Die Region West umfasst NRW und Rheinland-Pfalz, Hessen gehört zur Region Süd. Das Saarland wird mal der Region Süd, an anderer Stelle der Region West zugerechnet. Die „Regionalleitung West“ liegt in den Händen von Kraul und des Borussia Mönchengladbach-Fans Roeseler als Stellvertreter. Der pro NRW-Politiker ist also weiter an führender Stelle mit dabei. Er hat nach Angaben des Kölner Stadtanzeigers auch die nächste Aktion, ein Treffen am 26. Oktober 2014 in Köln, bei der Polizei angemeldet. Roeselers Einfluss liest sich auch aus einem Statement der HoGeSa heraus: „Die Werte der Aufklärung wie z.B. Freiheit, Gleichheit , Brüderlichkeit oder Religionskritik sind nicht verhandelbar. Wer Deutschland mit seiner Kultur, Tradition und Geschichte ablehne, kann sich gerne ein anderes Land suchen.“ Dies erinnert stark an Verlautbarungen, wie sie von pro NRW bekannt sind. Zugleich wurde in einen Videostatement verkündet, dass es sich bei den Seiten Hogesa.eu, HoGeSa Stutgart und La Familia Süd um „Trittbrettfahrer“ handele. Letztere hatten am 11. Oktober in Frankfurt/Main mit (anfangs) 50 Personen unter dem Motto „Salafisten raus aus Deutschland“ demonstriert (vgl. S. 39).

Nimbus des Unpolitischen

Der Zuspruch zu „Hooligans gegen Salafisten“ ist – zumindest im Internet – noch ungebrochen hoch. Er ist längst nicht mehr auf die Hool-Szenen beschränkt. Die Organisator_innen stehen nun vor dem Problem, ihre Mobilisierungserfolge in konkrete Aktion umzusetzen. Bereits nach der Kundgebung in Dortmund wurden Stimmen laut, die bemängelten, dass es zukünftig nicht ausreiche, nur herumzustehen und sich „kennenzulernen“. Das Gewaltpotenzial, das sich zusammengefunden hat, ist auf jeden Fall groß. Es kann sich gegen alle richten, die für „Salafisten“ oder „Islamisten“ gehalten werden. „Nur ein toter Salafist ist ein guter Salafist! [...] Kämpf für unser Land! Kämpf für die Freiheit!“ fordert beispielsweise ein Anhänger des Karlsruher SC bei Facebook. Dass der Aufruf zur Gewalt nicht in direktem Widerspruch zu dem von HoGeSa bislang propagierten „friedlichen Ausrichtung“ steht, verdeutlicht ein Zitat aus der online publizierten „Zusammenfassung des Orga-Treffen der HoGeSa am 12.10.2014“: „Unsere friedliche Kundgebungen sind ein eindeutiges Signal an die Politik – HANDELT. Sollte sich die Politik weiterhin unfähig zeigen, das Thema Salafisten in Deutschland in den Griff zu bekommen, werden wir uns zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, ob und inwieweit wir als ‘Hooligans’ aktiv werden“, wird unverhohlen verbal eine Drohkulisse aufgebaut, die verdeutlicht, dass die bisherigen Aufrufe, „friedlich, unvermummt und ohne Randale“ auf ihren Veranstaltungen zu agieren, lediglich strategische Äußerungen sind, um nicht von Beginn an potenzielle Sympathisanten _innen zu verschrecken.

„Hooligans gegen Salafisten“ ist und bleibt ein von rechten Hools dominiertes Projekt, trotz aller Distanzierungsrhetorik steht selbst ein Ausschluss von parteipolitisch organisierten Neonazis nicht zur Debatte. „Solange niemand Parteipropaganda macht, Parteifahnen oder -Banner mitbringt, sind alle bei uns willkommen“, heißt es in einer Stellungnahme. Schließlich beruht die Popularität der Gruppierung bislang auf dem Nimbus, nicht direkt auf den ersten Blick als extrem rechte Organisation erkennbar zu sein.

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So richtig zufrieden sein konnte eigentlich keine einzige Partei aus der extremen Rechten nach der Auszählung der Stimmen bei den Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 in NRW. Im Vergleich zur letzten Kommunalwahl hinzugewinnen konnte nur die selbsternannte „Bürgerbewegung pro NRW“, die aber dennoch weit von ihren Wahlzielen entfernt blieb und ausgerechnet in Köln herbe Verluste einstecken musste. NPD und „Republikaner“ setzten ihre Talfahrt vor, „Die Rechte“ kam als Player auf niedrigstem Niveau hinzu. Trotz Konkurrenz, insbesondere durch die „Alternative für Deutschland“ (AfD), konnte die mit wenigen Ausnahmen untereinander verfeindete extreme Rechte die Gesamtzahl ihrer Mandate aber dennoch minimal steigern.