Die nächste Station

Sascha Wagner als Universalunternehmer im Hinterland

Die 280-Seelen-Gemeinde Bledesbach, Ortsteil von Kusel (Landkreis Westpfalz) hat ein Problem. Nach dem Eigentümerwechsel einer Immobilie wurde Sascha Wagner als Hausverwalter eingesetzt. Kurz darauf fanden überregionale Veranstaltungen in dem kleinen Ort statt. Die Anwohner\*innen sind zu recht beunruhigt.

Die 280-Seelen-Gemeinde Bledesbach, Ortsteil von Kusel (Landkreis Westpfalz) hat ein Problem. Nach dem Eigentümerwechsel einer Immobilie wurde Sascha Wagner als Hausverwalter eingesetzt. Kurz darauf fanden überregionale Veranstaltungen in dem kleinen Ort statt. Die Anwohner*innen sind zu recht beunruhigt.

Der gut vernetzte Neonazi und Hooligan Sascha Wagner hat eine neue Bühne gefunden. Sein politischer Werdegang wurde zuletzt 2012 in LOTTA dargestellt (vgl. LOTTA #47, S. 24 ff.). Damals hieß es: „Hooliganszene, Veranstalter von RechtsRock-Konzerten, Reisekader, Aufbau von Parteistrukturen, Anti-Antifa und ,National Befreite Zonen‘, kommunale Verankerung — dies sind Stationen aus dem Leben des Sascha Wagner“. Dazu kommt ab 2015 noch die Gründung von SaGeSa (Saarländer Gegen Salafisten), die Zerlegung der NPD im Saarland, Onlinehandel antiquarischer Schriften im Patriotischen Buchversand, der Aufbau eines Patriotischen Netzwerks inklusive Homepage mit Jobvermittlung und zuletzt der Aufbau der Vortragsveranstaltungsreihe Thing der Titanen gemeinsam mit Michael Dangel.

Dangel selbst kann auf eine lange politische Aktivität zurückblicken. Er wechselte von der Deutschen Volksunion zu den Republikanern, laut Stuttgarter Nachrichten fungiere „er als Sprecher der rechtsextremen Burschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg und des Nationalen Bündnis Heilbronn“. Dangel musste im Untersuchungsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg zum NSU aussagen, weil er zum Zeitpunkt des Mordes an Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn einen Geheimbund führte und sein Umfeld in Verbindung zum Thüringer Heimatschutz stand. Dangel zeichnet für WIR Heilbronn verantwortlich. In der Selbstbeschreibung heißt es: „Die Umvolkung und damit ein kalter Genozid schreiten scheinbar unaufhaltsam voran! Bewahren WIR also das Eigene!“ Im Patriotischen Netzwerk ist er neben Wagner Hauptorganisator des Thing der Titanen.

Wagner macht Angebote…

Die soweit bekannt erste Veranstaltung in Bledesbach fand am 28. Mai 2022 mit dem zweiten Thing der Titanen im umgebauten Scheunengebäude des ehemaligen Bauernhofs statt. Neben Wagner und Dangel nahm an der Veranstaltung der verurteilte Volksverhetzer und Geschichtsrevisionist Nikolai Nerling teil. Sein Auftritt ersetzte die Absagen von Frank Kraemer und Christian Illner. Kraemer ist Frontmann der Rechtsrockband Stahlgewitter, Neonaziversandhändler und Medienaktivist. „Outdoor“ Illner erstellt Videos der Prepper-Szene und zum Überleben in der Wildnis.

Auch sonst ist die Gästeliste aussagekräftig. Philipp „Phil“ Neumann, Sänger der Rechtsrockband Flak, gehörte dem Aktionsbüro Mittelrhein an. Patrick Schröder ist die Person hinter dem extrem rechten Videokanal FSN-TV und Geschäftsführer der Marke Ansgar Aryan. Mit Günther Kümel (vgl. LOTTA #85, S. 28 f.), der 1965 in Wien den Antifaschisten Ernst Kirchweger erschlagen hat, war ein über die Bundesgrenze bekannter Neonazi anwesend.

Wagner hat die Querdenken-Szene als Rekrutierungsfeld entdeckt. Er nahm rege an den Montagsdemonstrationen der Westpfalz teil. Als sich nach dem Vorbild der extrem rechten „Freien Sachsen“ die „Freien Pfälzer“ formierten, war Wagner der erste, der in einer Chatgruppe des Ablegers „Freie Pfälzer Kaiserslautern“ Fahnen zum Kauf anbot. Wagner bleibt sich treu: Wo Umsatz gemacht werden kann, ist er nicht weit, liefert Angebote und stellt Kontakte her.

Wie beispielsweise zu Alexander Kurth, der fortan in den Chatgruppen der regionalen Querdenken-Szene für die Demonstration unter dem Motto „AmiGoHome“ in Ramstein am 26. Februar warb. Wagner selbst trat bei der Demonstration als Ordner auf. Zu den weiteren Angeboten Wagners gehörte 2022 auch eine gemeinsame Fahrt zur Waffenmesse nach Brüssel.

…und richtet sich ein

Zwar wohnt Wagner aktuell nicht in Bledesbach, sondern nutzt lediglich die Scheune für Veranstaltungen. Doch schon in der Vergangenheit hatte er immer wieder versucht, Wirkungs- und Wohnorte in der Pfalz und dem Hunsrück zusammenzulegen. 2002 wohnte er unbemerkt sporadisch in einem Objekt in Elmstein, das die NPD kaufen wollte, um ein „Schulungszentrum Südwest“ aufzubauen. Das Gebäude brannte in der Nacht vor Vertragsunterzeichnung teilweise aus.

Im Sommer 2006 mietete er die ehemalige Gaststätte „Zur Burg“ in Altleiningen an. Als die NPD Ende 2006 die alte Dorfschule in Morbach-Gonzerath als Schulungszentrum auserkor, verlegte Wagner seinen Zweitwohnsitz nach Morbach. Die Gemeinde machte allerdings von ihrem Rückkaufrecht Gebrauch. 2010 mietete Markus Walter ein ehemaliges Café in Herschberg, in das Wagner mit seiner Familie einzog. Nachdem 2012 über das Haus ein Nutzungsverbot als Parteiheim verhängt wurde, fanden Veranstaltungen im „Wohnzimmer des Kreistagsabgeordneten Sascha Wagner“ statt. Als Wagner sich mit Walter verkrachte, zog er ins angrenzende Saarland und es wurde ruhig um ihn.

Wagner und die Bledesbacher

Anfang der 2000er konnten in der Region mehrere Ansiedlungsprojekte der NPD erfolgreich abgewehrt werden, Käufe und Anmietungen wurden verhindert. Der Eigentümer der Immobilie in Bledesbach hingegen ist mit Wagner in sozialen Netzwerken assoziiert, posiert dort mit Südstaatenflagge. Zunächst wohnte er selbst im Haus. Als er Anfang 2022 zurück in die USA zog, vermietete er befristet an eine Frau und setzte Wagner als Hausverwalter ein. Inzwischen gibt es im Umkreis vermehrt Anfragen zu leerstehenden Objekten von unbekannten Interessent­*innen von außerhalb.

Die häufige Polizeipräsenz im Ort und die vielen ortsfremden Kennzeichen stießen den Anwohner*innen auf. Der Kuseler Antifaschist Bastian Drumm gehörte zu den ersten, die ein organisiertes Vorgehen gegen die rechten Veranstaltungen einforderten. Nach mehreren Wochen entschied sich auch der Stadtbürgermeister Jochen Hartloff (SPD), ehemaliger rheinland-pfälzischer Justizminister, an die organisatorische Vorarbeit von Antifaschist*innen anzuknüpfen. Inzwischen hilft die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus und unterstützt Aktivist*innen und Kommune bei der Organisation von Informationsveranstaltungen wie beispielsweise am 14. März mit der Journalistin Andrea Röpke. Dazu wurde öffentlich mit einem Artikel in der Rheinpfalz eingeladen. Als die Lokalredakteurin Astrid Böhm kommentierte, „solche Machenschaften in der Nachbarschaft kann niemand wollen“, blies Wagner zum Gegenangriff. Er markierte Böhm in einem Offenen Brief, den er in Chatgruppen teilte. Dort bewarb er auch den Vortrag und versuchte vergeblich, Kameraden zum Stören zu mobilisieren.

Fortsetzung folgt

Mittlerweile beteuert der Eigentümer des Bauernhofs, Wagner wieder zu kündigen. Er selbst wolle bald wieder dort einziehen. Ob es sich dabei um Lippenbekenntnisse handelt oder bereits konkrete Schritte gegangen wurden, ist unklar. Ob er derjenige sein möchte, der den Neonazi in den Ort geholt hat, in den er zurückkehren will, darf bezweifelt werden. Sicher ist aber, sollte Wagner diese Möglichkeit verlieren, muss er sich auf die Suche nach einem neuen Wirkungsort machen. Er hat bereits sensibel auf Gegenwind reagiert.

Die Zivilgesellschaft scheint dagegen geeint und entschlossen gegen Neonazis vorgehen zu wollen. Im vollbesetzten Dorfgemeinschaftshaus forderten die Bledesbacher*innen weitere Veranstaltungen und Aktionen.

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