Vereinsverbote: 2012 wurde der „Nationale Widerstand Dortmund“ verboten

„Verbot gegenwärtig nicht möglich“

„Die Rechte“ im Kontext von Vereins- und Parteiverboten

Nachdem das NRW-Innenministerium am 23. August 2012 drei „Freie Kameradschaften“ verboten hatte, organisierten sich die Dortmunder und Hammer Neonazis in Christian Worchs an Pfingsten 2012 gegründeten Vereinigung „Die Rechte“, Aachen und Neonazis aus anderen Orte zogen mit Kreisverbänden nach. Welche juristischen Auswirkungen hat diese Kontinuität im Hinblick auf Partei- und/oder Vereinsverbote?

Nachdem das NRW-Innenministerium am 23. August 2012 drei „Freie Kameradschaften“ verboten hatte, organisierten sich die Dortmunder und Hammer Neonazis in Christian Worchs an Pfingsten 2012 gegründeten Vereinigung „Die Rechte“, Aachen und Neonazis aus anderen Orte zogen mit Kreisverbänden nach. Welche juristischen Auswirkungen hat diese Kontinuität im Hinblick auf Partei- und/oder Vereinsverbote?

Parteien verbietet das Bundesverfas­sungs­gericht (BVerfG), Vereine im Regelfall das jeweilige Innenministe­rium eines Lan­des oder – je nach räum­licher Ausdeh­nung des Vereins – das Innenminis­teri­um des Bundes. Es macht daher einen er­heblichen Unterschied für eine Orga­nisation, ob sie lediglich ein Verein oder eine Partei ist. Ein Partei­verbot kann sich über Jahre hinziehen, der Ausgang ist un­sicher. Worch bezeichnet seine Vereini­gung als Partei. Allein hieraus folgt jedoch noch nicht, dass sie auch tatsächlich eine Partei ist. Die Freiheit­liche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) trug sogar den Begriff „Partei“ in ihrem Na­men. Das BVerfG sah sie jedoch in seiner Ent­schei­dung aus dem Jahre 1994 nicht als Partei an und wies die Anträge der Bun­des­regierung und des Bundesrats auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit im Sinne von Artikel 21 Absatz 2 Grund­ge­setz daher als unzulässig zurück. Da­rauf­hin erfolgte das Verbot durch das Bundesinnenministerium.

Einfluss auf politische Willensbildung

Das BVerfG bezieht sich bei der Frage, wann eine Partei vorliegt, auf die Be­griffs­bestimmung in Paragraph 2 Absatz 1 Satz 1 des Parteiengesetzes. Parteien sind hiernach „Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willens­bil­dung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mit­wirken wollen, wenn sie nach dem Ge­samt­bild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festig­keit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Her­vortreten in der Öffentlichkeit eine aus­rei­chen­de Gewähr für die Ernsthaf­tig­keit dieser Zielsetzung bieten“.

Die hier angesprochenen, nicht trenn­scharf voneinander abzugren­zen­den objektiven Merkmale – deren Auf­zählung nicht erschöpfend ist, denen aber ein großes Gewicht zukommt – sind Indizien für die Ernsthaftigkeit der politischen Zielsetzung. Keines ist für sich genommen ausschlaggebend und nicht alle müssen von einer Partei stets im gleichen Umfang erfüllt werden.

Die­se Merkmale können jedoch nicht eins zu eins auf Vereinigungen ange­wandt werden, die sich erst in Grün­dung befinden, weil dadurch die Neu­grün­dung von Parteien erheblich er­schwert würde. Mit wachsendem zeit­lichen Bestand müssen sie jedoch zu­nehmend in der Lage sein, die ihnen gesetzlich zugedachten Aufgaben wirk­sam zu erfüllen. Allein der Wille, „Par­tei“ zu sein, ist nicht ausreichend. Während es also in der Phase des Be­ginns mehr auf den sich in der Grün­dung als Partei artikulierendem Willen zur Mitwirkung an der politischen Wil­lens­bildung ankommt, muss sich mit fortschreitender Dauer des Bestehens der politischen Vereinigung die Ernst­haf­tigkeit ihrer politischen Zielsetzung vor allem auch anhand der genannten Kriterien bestätigen. Insgesamt kommt es nach den Vorgaben des BVerG darauf an, ob die Gesamtwür­di­gung der tat­säch­lichen Verhältnisse einer Partei – unter Einschluss der Dauer ihres Be­stehens – den Schluss zulässt, dass sie ihre erklärte Absicht, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, ernsthaft verfolgt. Daraus ergibt sich, dass Ver­eini­gungen, die nach ihrem Organisa­tions­grad und ihren Aktivitäten offen­sicht­lich nicht imstande sind, auf die poli­tische Willensbildung des Volkes Einfluss zu nehmen, bei denen die Ver­fol­gung dieser Zielsetzung erkennbar un­realistisch und aussichtslos ist und damit nicht (mehr) als ernsthaft ein­ge­stuft werden kann, nicht als Parteien anzusehen sind. Bei der FAP sah das BVerfG die Vor­aus­setzungen für eine Partei nicht ge­ge­ben, insbesondere weil sie seit ihrem Beste­hen im Jahre 1979 kaum an Wah­len teil­nahm, bei den Wah­len zu Lan­des­parlamenten nur zwischen 59 und 929 Stimmen errang und zum Über­prü­fungs­zeit­punkt lediglich rund 300 Mitglieder hatte.

„Die Rechte“ als Partei?

Bei der Vereinigung Die Rechte (DR) wird es vor allem von ihrer Mitgliederent­wick­lung, ihrem Engagement bei Wah­len und ihren sonstigen Aktivitäten ab­hängen, ob sie als Partei anzusehen sein wird. Zum jetzigen Zeitpunkt dürfte ein Verbot der Vereinigung DR nach dem Ver­einsgesetz problematisch sein, weil sie erst seit Kurzem existiert und ihr nach den Vorgaben des BVerfG die Chan­­ce zu geben ist, ihre Ernsthaftigkeit als Partei unter Beweis zu stellen. „Dass Mitglieder des verbotenen Vereins an der neu gegründeten Vereinigung be­tei­ligt sind, reicht nicht aus, ihr den Par­tei­status abzusprechen“, so die Staats­an­waltschaft Dortmund gegenüber den Ruhrnachrichten. Auch aus dem Minis­te­ri­um für Inneres und Kommunales heißt es, „eine intensive rechtliche Prüfung“ habe ergeben, „dass für ‘Die Rechte’ zum jetzigen Zeitpunkt das Parteien­pri­vi­leg“ gelte. Ein „Verbot als Ersatzorga­ni­sa­tion der Kameradschaften“ sei „ge­gen­wärtig nicht möglich“.

De facto aber handelt es sich bei Teilen der Vereinigung Die Rechte um Ersatz­orga­nisationen. Ob der Begriff der Ersatzorganisation jedoch erfüllt ist, kann nur die Gesamt­be­ur­teilung unter Berücksichtigung sämt­licher Einzel­heiten ergeben. Merk­male für die Identität eines verbotenen Vereins mit einem bestehenden können sein, dass der organisatorische Zusam­men­halt des verbotenen Vereins auf­recht erhalten und die die Vereins­tä­tig­keit tragende Organisation bewahrt wird; zudem ein enger zeitlicher Zusam­men­hang mit der Auflösung und ob frü­here besonders hervorgetretene Mit­glie­der oder Funktionär_innen bei der Gründung mitwirkten oder maß­geb­lichen Einfluss ausüben oder ausgeübt haben.

Der Landesverband NRW der DR ist mit seinen mittlerweile acht Unterverbän­den erst unmittelbar nach den Verboten der „Kameradschaften“ gegründet wor­den. Ihre ehemaligen Kader sind nun in Füh­rungsfunktionen von Die Rechte ak­tiv. Vorsitzender des DR-Kreisverbands Aachen ist beispielsweise ein ehema­liges Mitglied der verbotenen Kamerad­schaft Aachener Land (KAL). Die DR hat nun auch die Anmeldung des jährlich im April stattfindenden Aufmarsches in Stolberg bei Aachen übernommen, zuvor fungierten Ein­zel­per­sonen aus der KAL als Anmelder. Beim Stolberger Aufmarsch handelte es sich um eine zentrale Aktion der KAL, die nun von der DR fortgeführt wird.

Alles muss man selber machen

Gerade weil ein Verbot der DR also nicht unmittelbar bevorstehen dürfte, muss der politische und gesellschaftliche Druck auf Die Rechte und ihre Mitglieder aufrecht erhalten werden. Antifa­schist_innen sollten sich dabei nicht auf NRW-Innenminister Ralf Jäger verlassen, der angekündigt hat, „auch weiterhin alle rechtsstaatlichen Mitte (zu) nutzen, um den braunen Sumpf trocken zu legen“.