Peter Salber alias "Hackepeter" (l.) und Julian Fritsch alias "Makss Damage" (r.) beim "Rock gegen Überfremdung" 2016.
Fotoservice Thüringen

NS-Rap

16 Bars für Führer, Volk und Vaterland

Obwohl in Deutschland seit 14 Jahren NS-Rap praktiziert wird, dauerte es verhältnismäßig lange, bis sich die Musikrichtung auch in der extrem rechten Jugendkultur verankern konnte. Seit 2015 ist ein Wendepunkt zu erkennen, der NS-Rap trat aus seinem Nischendasein. Das ist allen voran dem Rapper „Makss Damage“ aka Julian Fritsch geschuldet.

Obwohl in Deutschland seit 14 Jahren NS-Rap praktiziert wird, dauerte es verhältnismäßig lange, bis sich die Musikrichtung auch in der extrem rechten Jugendkultur verankern konnte. Seit 2015 ist ein Wendepunkt zu erkennen, der NS-Rap trat aus seinem Nischendasein. Das ist allen voran dem Rapper „Makss Damage“ aka Julian Fritsch geschuldet.

Seit 2001 wurde über NS-Rap innerhalb der NS-Szene kontrovers und vielfach theoretisch debattiert und die Vor- und Nachteile mal mehr, mal weniger sachlich ausgetauscht. Von Mitte bis Ende der 2000er Jahre waren es eher unorganisierte rechte Jugendliche, die sich immer mehr in Richtung NS-Rap radikalisierten — wie der Bielefelder Michael Björn Bock (Der Bock), die Berlinerin Mia Herrn (Dee Ex) und der Mindener Alexander Klenke (Sash JM). Sie kreierten — wenn auch ungewollt — das Genre. Diese RapperInnen waren allerdings kaum überregional wahrnehmbar und rappten rechte Texte eher aus musikalischem Interesse als mit taktischem beziehungsweise politischem Kalkül. Der RechtsRock-Akteur Jan Peter Kersting aus Bielefeld probierte 2005 mit dem Bandprojekt Veritas Invictus als erster Neonazi ein reines Rap-Lied aus, was aber ebenso aus Eigeninteresse und einem Faible für das Musikgenre geschah. Dennoch gab es auch Versuche von organisierten Neonazis, in diesem Genre Fuß zu fassen. So versuchte sich zum Beispiel die dem Milieu der „Autonomen Nationalisten“ (AN) zuzurechnende Band Projekt X aus Hessen mit einem politischen Kalkül an Rap, um neue Leute für die Szene zu gewinnen. Ihr Rap war allerdings qualitativ so schlecht, dass die Band nach kurzer Zeit wieder von der Bildfläche verschwand.

Crossing

Mit dem politischen Anspruch, mit Rap Menschen für den „Nationalen Widerstand“ zu gewinnen, gründeten sich ab Anfang 2010 diverse Projekte, die auch überregional bekannt wurden und das Thema NS-Rap medial erst wahrnehmbar machten. Für den Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs sind diese jedoch als Form des „Crossing“ zu verstehen, da sie die „popmusikalische Sprache“ lediglich gewechselt hatten. Denn gleichzeitig und auch schon zuvor waren diese Rapper in RechtsRock-Bands aktiv. So SZU in der Thüringischen NSHC-Band Eternal Bleeding, n’Socialist Soundsystem/Enesess (NSS) in der Pfälzer RAC-Band Häretiker und Natürlich in der Brandenburgerischen RAC-Band Cynic. Dabei griffen die Rapper auf die Infrastruktur der RechtsRock-Industrie zurück, erste käuflich erwerbbare CDs wurden auf den Markt gebracht. Organisierte Neonazis hofften darauf, durch die Musikrichtung neues Klientel anzusprechen, weswegen sich auch auf diversen „Schulhof CDs“ verhältnismäßig viel NS-Rap befand. Die Wirkung dürfte dennoch recht überschaubar gewesen sein, denn musikalisch gesehen waren die meisten Projekte qualitativ eher mittelmäßig bis schlecht und hatten daher kaum Anziehungskraft auf die jugendliche Zielgruppe.

Subszene: NS-Rap

Allerdings entwickelte sich in der extrem rechten Jugendkultur eine kleine Subszene. Der Pfälzer NS-Rapper Henry8 war nicht nur maßgeblich für das NS-Rap-Projekt NSS verantwortlich, sondern versuchte auch, mit der Legion N-Rap eine Plattform für NS-Rapper zu installieren. Zum ersten Konzert der Legion N-Rap 2011 in Leipzig, auf der NSS und SZU auftraten, kamen 80 BesucherInnen. Die NS-Rapper traten danach auf einigen Konzerten zusammen mit „klassischen“ RechtsRock Bands auf. Etablieren konnte sich Legion N-Rap dennoch nicht und geriet schnell in Vergessenheit. Um 2014 schien NS-Rap in seiner kleinen Nische zu verweilen, es gab zwar NS-Rapper, die teilweise auch im organisiertem Neonazismus tätig waren, die Lieder auf YouTube stellten und einzelne (teilweise kostenlose) Alben veröffentlichten, dennoch war die AnhängerInnenschaft innerhalb der neonazistischen Szene sehr überschaubar. Die Diskussion innerhalb der Szene ließ nach. Neben einer großen Abneigung war auch eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Genre erkennbar.

Initialzündung „Makss Damage“

Doch ab 2015 änderte sich dies. Zum einen veröffentlichte Makss Damage aka Julian Fritsch aus Gütersloh das Album „2033“, das aufgrund der Verherrlichung von Gewalt und des klaren Bekenntnisses zum Nationalsozialismus sowie antisemitischen und rassistischen Punchlines sehr gut — auch außerhalb der kleinen Subszene NS-Rap — in der rechten Jugendkultur ankam.

Zum anderen dürften ab 2015 die zahlreichen Makss Damage-Auftritte auf

diversen RechtsRock-Festivals und mit Szenegrößen wie Kategorie C seinen Bekanntheitsgrad vergrößert haben. Dass NS-Rap durch ihn eine massive Aufwertung in der Szene erlebte, konnte auch im Oktober 2016 festgestellt werden, als er zusammen mit Nordic Walker (Timm Malcoci) und Hackepeter (Peter Salber) — beide aus Aachen — auf einem der größten RechtsRock-Konzerte der letzten Jahre vor 5.000 bis 6.000 Neonazis in Unterwasser (Schweiz) auftreten durfte. Dass das Thema NS-Rap innerhalb der neonazistischen Jugendkultur aber immer noch ambivalent ist, konnte auch an diesem Abend nicht geleugnet werden. Während vor der Bühne viele den Auftritt aktiv verfolgten und bei einigen Textpassagen sogar mitsangen, wurden Fritsch und seine Begleiter aus den hinteren Reihen ausgebuht.

Ein weiterer Höhepunkt von Fritsches Karriere ereignete sich eine Woche vor dem Konzert in Unterwasser. Der Berliner Mainstream-Radiosender Kiss Fm bot ihm eine Plattform, indem er ihn (fast) unkritisch zum Thema „Deutschland — Dein Land?“ interviewte und zeitweise sogar seine Facebook-Seite verlinkte. Die AnhängerInnen von Fritsch kommentierten diesen Coup bei Facebook mit den Worten: „besorgs ihnen hart in den Arsch unter der HK Fahne“ und „Gutmenschen weg hämmern!“.

RechtsRock-Vertriebe und NS-Rap-Labels

Fritsch etablierte sich als professioneller Musiker und gründete 2015 das Label Reconquista Records, das seine beiden käuflich erwerbbaren Alben — „2033“ und „Reconquista Mixtape Volume 1“ — veröffentlichte. Diese wurden trotz Gewalt- und NS-verherrlichender Texte sowie rassistischer Punchlines von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nicht indiziert. 2016 gründete sich das Label Taktstock Records. Auf ihm veröffentliche der Neonazi-Multifunktionär Michael Zeise (Thüringen), der unter anderem auch zur Weiße Wölfe Terrorcrew zählte, mit dem Rapalias Mic Revolt sein neues Album „Antidemokrat“. Auch der extrem rechte Berliner Rapper Patrick Killat (Villian051) nutzt das Label, dass allerdings nicht eigenständig ist, sondern ein Nebenprojekt des RechtsRock-Vertriebs und -Labels Das Zeughaus (Jens Hessler/Niedersachsen).

Freetracks und YouTube

Die meisten NS-Rap-Tracks erschienen jedoch auf YouTube oder sind als Free-EPs downloadbar. Ihre Reichweite reicht von 0 Klicks bis Abrufzahlen im vierstelligen Bereich. Nur selten werden sie auf den Index gesetzt und so einem breiteren Publikum entzogen. Einen hohen Bekanntheitsgrad inner- und auch außerhalb der extrem rechten Jugendkultur haben dabei im Netz vor allem Fritsch, Killat und Christoph Zloch alias Chris Ares aus dem bayrischen Ebersberg. Ihre Seiten und Kommentare werden im drei- bis vierstelligen Bereich geliked und geteilt. Fritsches vierteilige Freetrack-Reihe „64 Lines“, die er Ende 2016 auf Facebook veröffentliche, wurde zudem zwischen 20.000 und 120.000 mal aufgerufen und durchschnittlich 1.500 mal geteilt, unter anderem von vielen rechten Jugendlichen aus Ultra- und Hooliganszenen und aus dem PEGIDA-Milieu. Aber auch von Personen, deren Involviertheit in eine rechte Jugendkultur nicht erkennbar ist. Es scheint, als hätte Fritsch auch AnhängerInnen außerhalb der organisierten Neonaziszene und rechten Jugendkultur gewinnen können. Widerstand erleben Fritsch & Co dagegen kaum, ihre Facebook-Seiten wurden bisher trotz der Beiträge, die oft gegen das Regelwerk verstoßen, selten beanstandet. YouTube-Lieder, die gelöscht werden, werden relativ schnell von anderen UserInnen erneut hochgeladen.

NS-Rap als Brückenkopf zur „Neuen Rechten“

Zloch und der Rapper Patrick Bass (Komplott) veröffentlichten Anfang 2017 eine downloadbare Free-EP. Spenden für den Download gingen auf das Konto der „neurechten“ Ein Prozent-Kampagne um Phillip Stein von der Burschenschaft Germania Marburg. Komplott und Chris Ares stehen heute für den Sound der Identitären Bewegung. Während sich Zloch jedoch in den letzten Jahren vom unpolitischen HipHop-Jugendlichen zum extrem rechten Kader — unter anderem des Bündnisses Deutscher Patrioten (BDP) — entwickelte, durchlief Bass eine andere Entwicklung.

Der ebenfalls in der Germania Marburg tätige Burschenschafter und Neonazi war in die AN-Struktur AG Schwaben involviert und probierte sich hier bis 2011 als Liedermacher aus. 2012 veröffentliche er unter dem Pseudonym Subverziv für den „8. nationalen Antikriegstag“ in Dortmund einen Rap-Mobilisierungstrack. Danach wurde es musikalisch still um ihn. 2015 veröffentlichte er — anonym als Komplott — den Track „Europa“, der die Ideologie der IB anderen zugänglich machen sollte. Vermutlich um seine Anonymität zu schützen und mehr Aufmerksamkeit zu generieren, wurde Komplott als Mitglied der IB-Gruppe Kontra Kultur Halle vermarktet, obwohl er in Heidelberg lebte. Während Bass als Rapper nicht live auftrat, präsentierte sich Zloch bei der AfD sowie auf diversen extrem rechten Kundgebungen, so beispielsweise im November 2016 bei der Demonstration „Merkel muss weg“ in Berlin. Dort stand auch Killat auf der Bühne, der 2016 mindestens ein Dutzend Mal bei Demonstrationen und anderen Events der extremen Rechten auftrat.

Ausblick

Gemessen an den Neuveröffentlichungen von RechtsRock-CDs spielt NS-Rap nur eine kleine Rolle in der extrem rechten Jugendkultur. Dennoch hat sich in den letzten Jahren eine Subszene im RechtsRock entwickelt, die sich allmählich erweiterte. Die Szene hängt aber an nur wenigen vorzeigbaren Akteuren, deren Wegbrechen das Genre NS-Rap in die Bedeutungslosigkeit verschwinden lassen könnten. Dies erscheint jedoch aktuell sehr unwahrscheinlich. Das Genre zieht seine Stärke auch aus der Verbreitung über Facebook und YouTube. Videos und Songs weisen teilweise vier- bis sechsstellige NutzerInnenzahlen auf und werden weiterverbreitet. Die Zielgruppe sind hierbei rechte Jugendliche beziehungsweise junge Erwachsene, die auch anderen RechtsRock hören, aber eben auch Menschen, die augenscheinlich keiner extrem rechten Jugendkultur angehören. Dennoch ist NS-Rap im deutschen Mainstream-Rap noch eine Randerscheinung, da weder Austausch noch Auftritte oder dergleichen stattfinden. Rechte Ideologien, der Habitus der Härte, der Männlichkeit und des Outlaws, die im Mainstream-Rap vorhanden sind, machen es der extremen Rechten dennoch leicht, an diesen anzuknüpfen.