Trans-nationale Verbindungen

Kontakte von NRW-Nazis zu „CasaPound“

Im Mai 2016 geriet ein Minivan mit vier Neonazis aus Deutschland in eine Demonstration gegen die neofaschistische Bewegung „CasaPound“ in Rom. Das Resultat: Eingeschlagene Autoscheiben. Erst als ein knappes Jahr später die römische Justiz Repressalien gegen beteiligte Antifaschist\_innen verhängte, wurde bekannt, dass es sich bei den Insassen des Vans um Mitglieder der rechtsradikalen „Road Crew Ostwestfalen“ handelte.

Im Mai 2016 geriet ein Minivan mit vier Neonazis aus Deutschland in eine Demonstration gegen die neofaschistische Bewegung „CasaPound“ in Rom. Das Resultat: Eingeschlagene Autoscheiben. Erst als ein knappes Jahr später die römische Justiz Repressalien gegen beteiligte Antifaschist_innen verhängte, wurde bekannt, dass es sich bei den Insassen des Vans um Mitglieder der rechtsradikalen „Road Crew Ostwestfalen“ handelte.

Am 21. Mai 2016 fand in mehreren europäischen Städten aufeinander abgestimmt ein „Marsch der Völker Europas“ statt. In Rom wurde er von CasaPound Italia, in Athen von der Goldenen Morgenröte, in Budapest von Alternativ Europa und in Madrid von Hogar Social organisiert. Letztere lehnen sich mit ihrem Namen (zu Deutsch etwa: Hausbesetzungen) direkt an CasaPound an, die 2003 mit der Besetzung eines Hauses in Rom durch national-revolutionäre und faschistische Gruppen entstand. Für die rassistischen und nationalistischen Umzüge hatten sich die Organisationen und Parteien den dritten Jahrestag des Freitods Domenique Venners, eines Vertreters der französischen „Nouvelle Droite“, ausgesucht. Sie inszenierten in diesem gemeinsamen Akt einen europäischen Schulterschluss der radikalen Rechten angesichts einer angeblichen Bedrohung Europas durch Migration und Kulturverfall.

Zu dem Aufmarsch in Rom kamen rund 2.000 Faschist_innen. Anschließend wurde unweit des touristisch stark frequentierten Kolosseums zum bereits achten CasaPound-Festival „Tana delle Tigri“ geladen. Seit 2009 findet dieser Kampfsport- und Musik-Event mit internationaler Beteiligung in Rom statt. Im Mai 2016 spielten die italienischen Rechtsrock-Bands ZetaZeroAlfa, Bronson Crew, SPQR und Mai Morti sowie die französische Band In Memoriam.

„Unbeteiligte Touristen“?

Gegenprotest wurde von verschiedenen antifaschistischen Gruppen unter dem Motto „CasaPound not welcome“ auf die Straßen Roms getragen. Aus Richtung Bahnhof kommend führte ein Shuttle-Bus Teilnehmende zu dem faschistischen Event direkt an der Route der Gegendemo vorbei. Dieser traf an der Ecke Via Emanuele Filiberto/Via Nino Brixio auf Antifaschist_innen. Der Minivan wurde von den Demonstrant_innen zuerst kritisch beäugt und anschließend am Wegfahren gehindert. Fast alle Scheiben des Fahrzeugs gingen zu Bruch. Dem Bulli gelang im Rückwärtsgang die Flucht, wobei weitere Autos beschädigt wurden. Ein Personenschaden entstand — auch auf Seiten der Insassen des Vans — nicht. Trotzdem hatte der Vorfall für dreizehn römische Antifaschist_innen schwere juristische Folgen: Seit März dieses Jahres standen vier von ihnen mehrere Wochen unter Hausarrest, um sich anschließend, wie die anderen neun Beschuldigten, wöchentlich auf den lokalen Polizeiwachen einzufinden. Derzeit warten sie auf ihren Strafprozess.

Lange hatte es in den Medien geheißen, es seien „unbeteiligte Touristen“ angegriffen worden — eine Geschichte, die auch CasaPound im Wahlkampf genutzt hatte, um gegen die Linke zu hetzen. Erst über die Intervention der Anwälte der Beschuldigten wurde bekannt, dass es sich bei den „deutschen Touristen“ um Neonazis handelt: Andreas Gaus (Bad Salzuflen), Jan Weißberg (Oerlinghausen), Robert Kampeter (Oerlinghausen) und Sven Göhner (Bad Salzuflen) sind allesamt Mitglieder der Road Crew aus Ostwestfalen. Vertreten werden sie in dem kommenden Prozess von Domenico Di Tullio, einem bekannten Anwalt von CasaPound Italia. Di Tullio ist in Deutschland auch in der „Neuen Rechten“ über seinen pubertierenden Roman über CasaPound Italia „Wer gegen uns?“ bekannt, der 2014 in Götz Kubitscheks Verlag Antaios erschien.

Die „Road Crew Ostwestfalen“

Was als „Fanclub“ der rechten Band Barking Dogs gegründet wurde, entwickelte sich zu einer eigenen überregionalen Gruppierung. Weitere Chapter der Road Crew sind beispielsweise in Düsseldorf, Bochum und Oberösterreich ansässig. Die Road Crew OWL fungiert als Sammelbecken diverser Neonazis aus Ostwestfalen-Lippe. Sie vereint unter anderem überregional aktive und vernetzte Neonazi-Kader, Mitglieder von RechtsRock-Bands und Organisatoren von entsprechenden Konzerten oder Neonazi-Demos. Aktivisten aus Parteien wie der NPD oder dem Der III. Weg gehören zum Unterstützerkreis.

Die vier Personen aus dem Bulli, der in die antifaschistische Demonstration geriet, sind Mitglieder dieses Zusammenschlusses. Jan Weißberg und Andreas Gaus waren die Käufer des letzten bekannten Clubhauses der Road Crew Ostwestfalen, ein ehemaliges Bahnhofsgelände in Lage (Kreis Lippe). Gaus bedient den Bass in der lokalen, rechten Band Knock Out. Schlagzeuger dort ist Sven Göhner, der einst ebenso bei der international agierenden Rechtsrock-Band Sleipnir trommelte. Das Clubhaus, in dem auch einige Konzerte stattgefunden hatten, wurde auf Drängen der Öffentlichkeit im September 2015 von der Stadt gekauft. Aktuell ist zwar keine neue Bleibe bekannt, trotzdem treffen sich Personen aus der Road Crew weiterhin. Die internationalen Kontakte scheinen schon länger zu bestehen: Bereits 2015 reisten Road Crew-Mitglieder aus Ostwestfalen zum Neonazi-Event „Tana delle Tigri“ und posierten auf einem Foto vor dem CasaPound-Hauptsitz.

Transnationale Kontakte und Ideologietransfer

Die seit 2003 bestehende faschistische Bewegung CasaPound, deren Mitglieder sich stolz „Faschisten des dritten Jahrtausends“ nennen, hat ihre Zentrale in dem eingangs erwähnten besetzen Haus in Rom. Seit fast 15 Jahren baut sie ihre sozialen, karitativen, kulturellen und politischen Vorfeld-Organisationen kontinuierlich aus. Sie ist mittlerweile in ganz Italien vertreten, verfügt über fast 100 Sitze und 6.000 Mitglieder und tritt seit 2013 auch als Wahlpartei an. Seit ihrer Gründung legt sie großen Wert auf Kontakte zu weiteren national-revolutionären und rechtsradikalen Gruppierungen und Parteien in ganz Europa — auch nach Deutschland. So sind seit 2006 Kontakte von CasaPound zu den „Autonomen Nationalisten“ im Ruhrgebiet, zu den Jungen Nationaldemokraten und der NPD und mittlerweile auch zur AfD und der „Neuen Rechten“ um Kubitschek und Philip Stein und seinem Jungeuropa-Verlag bekannt. Verbindungen in das bundesdeutsche RechtsRock- und Freefight-Milieu ergänzen nun diese Breite an gegenseitiger Kontaktaufnahme. Die Anziehungskraft, die CasaPound auf viele andere rechtsradikale Strömungen in Europa ausübt, liegt auch in der Vereinigung extrem rechter Subkulturen mit einer straff geführten hierarchischen Organisation, der Synthese eines traditionellen Faschismus mit der „Neuen Rechten“, der antikapitalistischen Propaganda von CasaPound und die Inszenierung als soziale Bewegung von rechts. Der transnationale Austausch ist Ausdruck einer wachsenden Strömung innerhalb der Rechten Europas, die sich „europäisiert“ und auf verschiedenen Ebenen eine Kooperation in Theorie und Praxis anvisiert. Ein weiterer Grund, die Road Crew Ostwestfalen und ihre Netzwerk-Arbeit im Auge zu behalten.