„Solidarität ist der Schlüssel“

Repression gegen Antifaschist*innen nach AfD-Blockade in Herford

Im Februar 2017 blockierten etwa 30 Antifaschist\*innen eine AfD-Veranstaltung in Herford, was anschließend zu einer Kriminalisierung durch Polizei und Stadt führte. Zur Unterstützung der Betroffenen hat sich eine Solidaritätskampagne gegründet.

Im Februar 2017 blockierten etwa 30 Antifaschist*innen eine AfD-Veranstaltung in Herford, was anschließend zu einer Kriminalisierung durch Polizei und Stadt führte. Zur Unterstützung der Betroffenen hat sich eine Solidaritätskampagne gegründet.

Am 28. Februar 2017 wollte die AfD im städtischen Herforder Bürgerzentrum „Haus unter den Linden“ (HudL) eine Veranstaltung abhalten. Bei dieser sollte sich der lokale AfD-Direktkandidat zur Landtagswahl, Markus Wegner, vorstellen. Anschließend war ein Vortrag mit dem Titel „Islamismus — Kinderehen und Scharia“ von Leyla Bilge geplant.

Protest aus der Zivilgesellschaft

Schon im Vorfeld gab es umfassende Kritik an der Veranstaltung aus der Zivilgesellschaft und die Forderung an die Stadt, der AfD die Räume nicht zur Verfügung zu stellen. Die Stadt weigerte sich jedoch aus Angst vor juristischen Schritten, der AfD die Räumlichkeiten zu kündigen und verwies darauf, dass die AfD „eine demokratische Partei“ sei. Ein Mitglied des HudL-Fördervereins rief daraufhin unter dem Motto „Die AfD gehört nicht nach Herford — und auch nicht ins HudL“ zum Gegenprotest direkt vor der Tür des Bürgerzentrums auf. Darüber hinaus kündigte das im Erdgeschoss des HudLs angesiedelte HudL-Café an, die AfD nicht zu bewirten und am Abend der AfD-Veranstaltung nicht zu öffnen.

Blockade der AfD-Veranstaltung

Noch vor Beginn des bürgerlichen Gegenprotestes am frühen Abend sahen sich HudL-Mitarbeiter*innen, Polizei und AfD jedoch vor ein unerwartetes Problem gestellt: Etwa 30 Antifaschist*innen hatten sich Zugang zum verschlossenen HudL verschafft und sich anschließend mit einer Sitzblockade auf der Treppe zu dem angemieteten Raum der AfD im Obergeschoss platziert. Sie hatten sich zum Teil angekettet und forderten eine Absage der AfD-Veranstaltung.

Weder die Polizei, noch Vertreter*innen der Stadt waren bereit, auf die Forderung der AfD-Gegner*innen einzugehen. So begann die Polizei nach kurzer Verhandlungsphase mit der Räumung der Blockade. Als erstes verwies die Polizei die anwesende Presse aus dem Treppenhaus, während ein privater Sicherheitsdienst der AfD die gesamte Zeit über anwesend blieb und filmte. Nachdem die Journalist*innen den Polizeieinsatz nicht mehr kritisch begleiten konnten, begann die Polizei damit, die Antifaschist*innen einzeln aus der Blockade zu lösen und aus dem Gebäude zu tragen. Während der Räumung kam es zu Tritten und Schlägen gegen die friedliche Sitzblockade, außerdem wurden Drohungen und Beleidigungen von den Beamt*innen ausgestoßen. Währenddessen hatten sich in einem Vorraum im Erdgeschoss schon einige AfD-Gäste eingefunden. Durch diese wurden die Blockierer*innen nun hindurch getragen und dabei von diesen abgefilmt. Die Polizei nahm anschließend sämtliche Personalien auf und fertigte Anzeigen wegen Hausfriedensbruch, Nötigung und Widerstand.

Die etwa 150 Teilnehmer*innen der Kundgebung vor dem HudL zeigten sich entsetzt von der Polizeigewalt und solidarisierten sich mit den Blockierer*innen, als diese von der Polizei heraus getragen wurden. Letztendlich konnte die AfD-Veranstaltung dann mit etwa einer Stunde Verspätung beginnen.

Öffentliche Reaktionen

In den folgenden Tagen und Wochen beherrschte die Diskussion um die HudL-Blockade die regionale Berichterstattung und die Lokalpolitik. Zentral war hierbei die Behauptung der Polizei, es habe bei der Räumung massiven Widerstand und drei verletzte Polizist*innen gegeben.

SPD-Bürgermeister Tim Kähler folgte den Aussagen der Polizei und bezeichnete die Antifaschist*innen als „Krawallmacher“ und „Straftäter“ und kündigte Anzeigen der Stadt wegen Hausfriedensbruch an. Die FDP nahm die Ereignisse sogar zum Anlass, um im Landtag eine kleine Anfrage zu den Geschehnissen im HudL und zu Straftaten aus dem linken Spektrum im Regierungsbezirk Detmold zu stellen. Das Bündnis gegen Rechts Herford übte jedoch starke Kritik am Polizeieinsatz. So schilderte Pfarrer Berthold Keunecke auf einer am 3. März 2017 eigens einberufenen Pressekonferenz, er habe beobachtet, wie „die Polizisten die Jugendlichen mit besonderer Härte behandelten“.

Kriminalisierung des Protests und Solidaritätskampagne

Die Blockierer*innen erhielten in der Folgezeit Beschuldigtenvorladungen wegen Hausfriedensbruch durch die Polizei. Vier Menschen wurden außerdem Prozesse wegen Widerstand und Körperverletzung angekündigt. Um die von Repression Betroffenen zu unterstützen und deutlich zu machen, dass Protest gegen die AfD legitim sei, gründete sich die Unterstützungskampagne „Solidarität ist der Schlüssel — Gegen Repression und Nationalismus“. Der Name ist eine Anspielung auf die medial ebenfalls stark thematisierte und bisher ungeklärte Frage „Wie kam die Antifa ins HudL?“.

Erster Prozess eingestellt

Am 20. September 2017 fand nun der erste Prozess der sogenannten „HudL-Verfahren“ statt. Dem Angeklagten wurde Widerstand gegen Polizeibeamte vorgeworfen. Die Solidaritätskampagne rief zu einer Kundgebung direkt vor dem Gerichtsgebäude und zu kritischer Prozessbegleitung auf.

Bereits im Vorfeld des Prozesses fantasierte die Herforder Polizei Krawall-Szenarien herbei: Es sei anzunehmen, dass „Gewalttäter*innen“ auch aus anderen Städten gezielt zum Prozess anreisen könnten, um den Ablauf zu stören. Diese Behauptung nahm die Polizei als Grundlage, die Versammlungsfreiheit massiv einzuschränken. So wurde die Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude aus „Sicherheitsgründen“ untersagt und auf einen angrenzenden Parkplatz verlegt. Das von der Polizei dargestellte Angst-Szenario diente offenbar dazu, den Protest gegen Repression und Nationalismus mit Gewalt gleichzusetzen und dadurch die Inhalte zu delegitimieren. Etwa 60 Unterstützer*innen ließen sich jedoch nicht abschrecken und unterstützten den Angeklagten vor Gericht.

Während des Prozesses kam es schon bei den ersten beiden Zeugen — zwei an der Räumung beteiligten Polizisten — zu Widersprüchen und Erinnerungslücken. So konnte sich die Beamten nicht an die Kleidung des Angeklagten erinnern und behaupteten, er sei an Armen und Beinen eingehakt gewesen, nur um zehn Minuten später zu behaupten, er hätte die Polizist*innen „mit Tritten begrüßt“. Außerdem gaben die Beamten zu, vor Prozessbeginn die Akte noch einmal gemeinsam gelesen und sich abgesprochen zu haben. Angesichts dieser offensichtlichen Zeugenunglaubwürdigkeit wurde der dritte Zeuge schließlich überhaupt nicht mehr gehört. Gericht und Staatsanwaltschaft stimmten einer Einstellung des Verfahrens mit Auflage von 80 Sozialstunden zu.

Die Solidaritätskampagne hatte zuvor zwar den Freispruch der Angeklagten gefordert, sah eine Einstellung des Verfahrens jedoch als Erfolg. Gerade mit dem Hintergrund der extrem hohen Strafen in den G20-Prozessen und dem allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsruck war im Vorfeld die Befürchtung einer harten Verurteilung groß.

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Nachtrag kurz vor Drucklegung:

Nachdem das Gericht das Verfahren gegen den ersten Angeklagten eingestellt hatte, schienen die Behörden nicht an eine Verurteilung der anderen drei Beschuldigten zu glauben und haben jetzt auch deren Verfahren gegen Auflagen eingestellt. Nähere Infos unter: http://sids.blogsport.de/

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