Terrorismus-Anklage abgewiesen
Bundeswehr-Offizier plante Anschläge und beschaffte sich Waffen und Sprengstoff
Die Bundesanwaltschaft wirft dem extrem rechten Oberleutnant Franco A. vor, getarnt als syrischer Geflüchteter Terroranschläge geplant zu haben, um so die rassistische Stimmung gegen Geflüchtete in Deutschland zu verstärken. Hierzu soll er mögliche Ziele ausspioniert sowie Waffen und Sprengstoff gesammelt haben. Ob er wegen der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags vor Gericht stehen wird, ist jedoch ungewiss.
Ende Dezember 2015 stellte der heute 29-jährige deutsche Bundeswehrsoldat Franco A. in seiner Heimatstadt Offenbach einen Antrag auf Asyl in Deutschland. Er gab an, ein christlicher Bürgerkriegsflüchtling aus Damaskus mit dem Namen David Benjamin zu sein und sprach während der Anhörung Französisch. Der Plan von A., so an eine Tarnidentität als Geflüchteter zu gelangen, ging auf. In der ihm zugewiesenen Unterkunft war er nur um die Post abzuholen, er lebte weiterhin als Soldat in seiner Kaserne im französischen Illkirch.
Im Januar 2017 nahm Franco A. am „Ball der Offiziere“, einem Militärball in der Wiener Hofburg, teil. Dort stahl er eine Pistole und versteckte sie vor seinem Rückflug nach Deutschland auf der Toilette des Wiener Flughafens. 14 Tage später kam er zurück, um die Pistole abzuholen. Diese war zwischenzeitlich jedoch entdeckt worden und A. wurde festgenommen, als er versuchte, sie aus dem Versteck zu holen. Zwar wurde er nur einen Tag später entlassen, bei der Verhaftung erfolgte aber eine erkennungsdienstliche Behandlung, seine Fingerabdrücke wurden an deutsche Behörden weitergeleitet. So fiel auf, dass mit diesen Fingerabdrücken ein syrischer Geflüchteter registriert war. Daraufhin wurden weitere Ermittlungen aufgenommen.
Ende April 2017 wurde A. während eines Bundeswehrlehrgangs von der Polizei verhaftet. Neben seiner Kaserne wurden noch 15 weitere Objekte in Deutschland, Frankreich und Österreich durchsucht. Die Polizei fand dort zwei Gewehre, eine weitere Pistole, über 1.000 Schuss unterschiedlicher Munition und über 50 Sprengkörper, die sich A. verschafft haben soll. Munition und Sprengkörper stammen zumindest in Teilen aus Bundeswehrbeständen. Medienberichten zufolge hatte A. auf einem Datenträger das islamistisch-terroristische „Mujahideen Explosives Handbook“ und das 1957 im Kalten Krieg veröffentliche und bei Rechtsterrorist*innen beliebte Handbuch „Der totale Widerstand. Kleinkriegsanleitung für Jedermann“
gespeichert.
Völkisch-nationalistische Gesinnung
Bei der Durchsuchung seiner Räume in Illkirch wurden auch NS-Symbole und Devotionalien gefunden: An der Wand seines Zimmers prangten das Bild eines Wehrmachtssoldaten und eine Maschinenpistole der Wehrmacht als Dekoration, in ein Sturmgewehr war ein Hakenkreuz eingeritzt. Es fanden sich darüber hinaus Notizen zu möglichen Terroranschlägen. Darin sind unterschiedliche Pläne aufgelistet, etwa die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck aus dem Gefängnis zu befreien oder einen „Asylanten“ eine Handgranate in eine „Gruppe Antifas“ werfen zu lassen. Außerdem fand sich eine Liste mit der Überschrift „Politik und Medien“. Auf dieser befinden sich Namen von Personen, die für Franco A. und Mithelfer mutmaßlich geeignete Ziele eines Mordanschlags darstellten. Darunter sind beispielsweise Claudia Roth, Heiko Maas und Anetta Kahane. Eine Menschenrechtsaktivistin soll von A. bereits ausgekundschaftet worden sein: er sei in die Tiefgarage ihres Büros eingebrochen und habe dort Fotos der parkenden Fahrzeuge gemacht.
Bereits Ende 2013 fiel der Bundeswehroffizier mit extrem rechten Positionen auf: Damals reichte er eine Masterarbeit ein, die aufgrund ihrer rassistischen und radikalnationalistischen Inhalte abgelehnt wurde. Er erhielt jedoch keinen Verweis und konnte eine neue Arbeit einreichen; die in der Bundeswehr hierfür zuständigen Stellen wurden ebenfalls nicht informiert. Die Masterarbeit unter dem Titel „Politischer Wandel und Subversionsstrategien“ beinhaltet auf 140 Seiten ein Konglomerat aus völkischen, antisemitischen und rassistischen Verschwörungstheorien, nach denen subversive Kräfte am Werk seien, um die „Völker in ihrer Substanz zu zerstören“.
Mögliche Mithelfer
Vor seiner Zeit bei der Bundeswehr lebte Franco A. in Offenbach am Main. Dort fiel er nicht mit rechten Positionen auf. Auch die beiden Männer, die zeitweise in Haft waren, weil sie beschuldigt wurden, ihn bei seinen Terrorplänen unterstützt zu haben, stammen aus der Region Offenbach: Der Student Mathias F. und Franco A. waren in ihrer Jugend gemeinsam in einem Ruderverein aktiv. F. wurde ebenfalls Ende April 2017 verhaftet, nachdem in seiner Wohnung im mittelhessischen Friedberg die von A. gestohlene Munition gefunden worden war. Im Juli 2017 wurde er jedoch wieder entlassen, da ihm eine Tatbeteiligung nicht hinreichend nachgewiesen werden konnte.
Ähnlich steht es um den Soldaten Maximilian T.: Der aus Seligenstadt stammende Oberleutnant lebte in der gleichen Kaserne wie Franco A., er soll mit ihm gemeinsam die Liste der potentiellen Anschlagsopfern verfasst sowie ihn mindestens einmal gedeckt haben, damit seine Tarnidentität als Geflüchteter nicht aufflog. Auch er wurde nach zwei Monaten Haft im Juli 2017 entlassen, die Ermittlungen gegen ihn wie gegen Mathias F. dauern (zumindest formell) jedoch noch an. Maximilian T., AfD- und Junge Alternative (JA)-Mitglied, ist seit letztem Winter als persönlicher Referent des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte beschäftigt. Nolte, Vorsitzender der hessischen JA, ist ehemaliger Zeitsoldat und Mitglied im verteidigungspolitischen Ausschuss des Bundestags.
Neben den Kontakten zu Mathias F. und Maximilian T. war Franco A. in zwei Chatgruppen aktiv. In einer tauschten er und andere Soldaten rassistische Bilder und Sprüche. In einer zweiten vernetzte er sich mit sogenannten „Preppern“: Menschen, die in Erwartung einer drohenden Katastrophe Waffen und Lebensmittel horten, um so auf den „Tag X“ vorbereitet zu sein.
Ungewisser Prozess
Franco A. wurde Ende November 2017 aus der Untersuchungshaft entlassen. Die Bundesanwaltschaft erhob kurz darauf Anklage gegen ihn wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Diebstahls, Betrugs und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat. Anfang Juni wies das zuständige Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt die entsprechende Klage nach §89a StGB jedoch ab: Es spreche einiges dafür, dass A. einen terroristischen Anschlag vorbereitet habe. Da er dennoch keine Tat begangen habe, sei nicht davon auszugehen, dass er fest entschlossen gewesen sei, so die Argumentation des OLG. A. sei deshalb nur wegen seiner falschen Angaben vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den gestohlenen Waffen und Sprengsätzen vor dem Landgericht Darmstadt anzuklagen. Die Bundesanwaltschaft legte daraufhin Beschwerde gegen die Entscheidung des OLG ein. Nun muss der Bundesgerichtshof entscheiden, ob die Anklage wegen der Vorbereitung eines Terroranschlags doch noch zugelassen wird.