Grau-braunes Farbenspiel

Die RechtsRock-Band „Kotten“ aus Solingen

Die 2014 gegründete Band „Kotten“ aus Solingen gehört sicherlich nicht zu den Stars des RechtsRock. Ein Blick auf ihre Aktivitäten offenbart jedoch Überraschendes: ein Auftritt in Brasilien, enge Verbindungen zur bayrischen Neonazi-Organisation „Voice of Anger“ und Konzerte mit bekannten Bands des RechtsRock.

Die 2014 gegründete Band „Kotten“ aus Solingen gehört sicherlich nicht zu den Stars des RechtsRock. Ein Blick auf ihre Aktivitäten offenbart jedoch Überraschendes: ein Auftritt in Brasilien, enge Verbindungen zur bayrischen Neonazi-Organisation „Voice of Anger“ und Konzerte mit bekannten Bands des RechtsRock.

Dass Kotten bestens in die Netzwerke des RechtsRock eingebunden ist, dürfte nicht zuletzt an ihrem Bandleader und Sänger Stefan Leucht liegen. Der 40-Jährige gehört seit vielen Jahren der neonazistischen Szene an. Bis Ende 2006 betrieb er in Bergisch Gladbach bei Köln den rechten Skinhead-Klamotten-Versand Commieknockers Streetwear. In den 2000er Jahren war er zudem Schlagzeuger der im Raum Leverkusen angesiedelten RechtsRock-Band Säd but Trüe. Nicht selten war er auch im Kreis der Düsseldorfer RechtsRock-Band Non Plus Ultra anzutreffen. Neben der Teilnahme an überregionalen RechtsRock-Konzerten — bis heute — war Leucht aber auch immer wieder auf neonazistischen Aufmärschen in NRW präsent. Er gehörte zudem zu denjenigen Neonazis, die am 1. Mai 2009 nach einem Angriff auf eine DGB-Demonstration in Dortmund festgenommen wurden.

Eine weitere Konstante in der Band ist der aus Solingen stammende Schlagzeuger Christoph Runkel. Darüber hinaus treten als Band-Mitglieder Andreas Schwarz aus Solingen als Gitarrist und „Gessi“, der vor einiger Zeit aus Brandenburg nach NRW gezogen ist, als Bassist in Erscheinung. „Gessi“ spielte bereits in diversen RechtsRock-Bands, beispielsweise Kraft durch Froide, bewegt sich aber immer auch in nach rechts offenen Oi-Bands.

Lebenswelten

2015 veröffentlichte die Band im Selbstverlag ihre erste CD. Die darauf erschienenen Lieder geben einen Einblick in die Lebenswelt der Bandmitglieder. „Gelb und Blau“ ist der Versuch einer Hymne auf den aktuell mit seiner ersten Mannschaft in der Kreisliga B spielenden Fußballverein BSC Union Solingen. Leucht und Runkel zählen zur engen Fanszene des Vereins. Doch nicht nur das: Leucht wird auch aktuell noch als Reservetorwart der dritten Mannschaft des BSC geführt und war auch schon als Kassenprüfer im Verein aktiv.

Wenn die Band „die da oben merken es nicht, dass sie mehr und mehr unsere Werte vernichten“, singt, ist das eine klassische rechte Kritik an „den Eliten“, die das „einfache Volk“ vergessen hätten: „Traditionen sind mehr als ein Bausparvertrag, Generationen haben nur dafür gelebt. Jetzt soll alles sterben, haben sie sich so gedacht“, fabuliert der Sänger: „Von ihnen wurde uns schon so viel genommen. Auf auf […], gemeinsam für das Ziel. Das hier ist kein Spaß mehr.“ In einem „Hidden Track“, der nicht auf dem Booklet verzeichnet ist, heißt es in „Angela“ („die Mutti in Berlin“): „Ihr Kinderlein kommt, o kommet doch all, in Muttis Stall“. Die Textzeilen sind unschwer als Kritik an der Flüchtlingspolitik Merkels zu interpretieren.

Kooperationen, Auftritte, CDs

Etwa ein Jahr nach Erscheinen der Demo-CD kündigte die kolumbianische Band Ressiduo eine Split-CD mit Kotten an. Diese erschien im Frühjahr 2018. Wie es zur Produktion durch das brasilianische Label Arcabuz Records kam, ist unklar, allerdings realisierte das Label schon mehrere Sampler mit europäischen Bands. Eines der sechs Lieder ist eine auf spanisch gesungene Version des Böhse Onkelz-Songs „Stolz“. Bei den von Kotten beigesteuerten Liedern dreht es sich um eine Mischung aus Skinhead-Kult, Fußball und Hooliganismus. Dazu kommt ein Cover des Liedes „Voran“ der 1990er Jahre-RechtsRock-Kultband Freikorps. „Auftritte gab es schon einige, z.B. in Solingen, Hilden, Magdeburg, Franken und Sao Paulo“, berichtete die Band in einem Interview. Die Liste der Auftritte ist aber nicht sehr lang, rund ein Dutzend Mal dürfte Kotten auf der Bühne gestanden haben, zumeist bei kleineren Konzerten in NRW. Einer der Auftritte sticht deutlich hervor: Am 8. Juli 2017 trat Kotten zusammen mit Escuadron aus Uruguay, Bandeira De Combate aus Brasilien und Obled aus Polen beim „Winterfest“ im brasilianischen São Paulo auf. „Die Jungs von Kotten rockten den Abend und brachten die Menge zum kochen mit ihrem Song Hooligans against the System und einigen klassischen Coversongs von Freikorps & Ultima Thule“, wusste die gastgebende Band Bandeira De Combate zu berichten. In die Organisation des Konzerts soll auch Arcabuz Records involviert gewesen sein, was den Auftritt von Kotten erklären könnte.

Im Juli 2018 trat Kotten auf einem von der Gruppe Voice of Anger in Baden-Württemberg organisierten Konzert mit Mistreat (Finnland), Kommando Skin und Proißische Herzbuben auf. Kaum einen Monat später, am 25. August 2018, fand in Hamm/Westfalen ein Konzert statt, an dessen Organisation ebenfalls Voice of Anger beteiligt war. Bei einem weiteren RechtsRock-Konzert in Hamm am 29. September 2018 traten dann wiederum Kotten und Proißische Herzbuben auf. Die Kombination überrascht nicht, schließlich ist Stefan Leucht auch Mitglied der Herzbuben, die als Coverband von RechtsRock-Klassikern fungiert. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Einbindung der größten neonazistischen süddeutschen Kameradschaftsstruktur Voice of Anger bei einem RechtsRock-Konzert in Hamm über die Bandmitglieder von Kotten gelaufen ist.

„Nur Oi-Musik“?

Zudem fällt auf, dass Kotten zu einer Gruppe von „Grauzonen“-Bands gehört. Gemeint sind Bands, die nach außen den Anschein erwecken wollen, „unpolitisch“ zu sein und „einfach nur Oi-Musik“ zu spielen. Teilweise sind aber Neonazis und Personen mit Bezügen zur RechtsRock-Szene involviert. Sei es bei der bayrischen Band Prolligans, deren Mitglieder teilweise auch bei der Band Faustrecht spielen, oder bei den Thüringer Bombecks. Mit beiden zusammen angekündigt war Kotten am 25. Mai 2018 beim „Oifach Oi! Teil II“. Auf der Bühne standen die drei Bands auch am 11. August 2018 beim „Oi! For Saxony“. Auch was die Tonträgerveröffentlichungen betrifft, ist die genannte Kooperation festzustellen. So steuerte Kotten zwei Lieder zur LP „This Is German Noise“ bei. Die Platte erschien beim sich nach außen unpolitisch gebenden Label German Oi! Records aus dem hochsauerländischen Meschede, einem Sublabel von Street Justice Records um Bernd Krick, der bereits Anfang der 90er Jahre der militanten Neonazi-Gruppierung Sauerländer Aktionsfront (SAF) angehörte und von Bestwig bei Meschede aus das neonazistische Fanzine Moonstomp herausgab. Mit auf dem Sampler sind noch die Prolligans, Bombecks und Roials.

Auch wenn Kotten versucht, sich als eher „unpolitische“, maximal „patriotische“ Oi-Band zu inszenieren, gibt es an ihrer Einbindung in die neonazistische RechtsRock-Welt keinen Zweifel. Wenn die Band — wie beim „Germanskins Stick Together“ am 2. Dezember 2017 in Thüringen — neben Bands wie Violence Station (CZ) Angry Bootboys, Smart Violence oder Kommando 192 auf der Bühne steht, ist mit Sicherheit nichts mehr „grau“ — und umso mehr braun.

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Schmiemann in "Kampftruppe Achtzehn" Shirt am 25.05.2019 in Dortmund.
Thomas Witzgall/Flickr