Wahlerfolge der extremen Rechten in Europa

Eine Einleitung in den Schwerpunkt

Europäische Rechtsaußen-Parteien greifen nach der Regierungsmacht — oder kommen ihr zumindest gefährlich nahe. Am 10. April 2022 erreichte Marine Le Pen, Kandidatin des Rassemblement National (RN) im ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl den zweiten Platz. Sie zog in die Stichwahl ein, wo sie, wie bereits 2017, Emmanuel Macron unterlag.

Sie zog in die Stichwahl ein, wo sie, wie bereits 2017, Emmanuel Macron unterlag. Einige politische Beobachter*innen hatten zuvor befürchtet, dass Le Pen im ersten Wahlgang durchaus auf Platz 1 hätte landen können. Wieder einmal konnte sich aber schlussendlich ein in weiten Teilen der französischen Gesellschaft wenig populärer neoliberaler Politiker durchsetzen — als „kleineres Übel“.

Dass die extreme Rechte in Form des RN (früher Front National) in den letzten 20 Jahren immer wieder in die Stichwahl gelangte, ist beunruhigend; nicht nur in Bezug auf die Auswirkungen der rechten Mobilisierung auf die französische Gesellschaft, sondern auch auf die politischen Verhältnisse in der unter Spannung stehenden Europäischen Union, in der Frankreich eines der einflussreichsten Mitgliedsländer ist. In einem anderen EU-Gründungsland, Italien, wurde im Oktober 2022 mit Giorgia Meloni sogar eine Ministerpräsidentin vereidigt, die aus der faschistischen Rechten stammt und nun einer Koalition von drei ultranationalistischen und rechtspopulistischen Parteien vorsteht.

Wir nehmen die jüngsten Wahlerfolge der europäischen Rechtsaußen-Parteien — zu denen auch das starke Abschneiden der Sverigedemokraterna bei der schwedischen Reichstagswahl im September 2022 zählt — zum Anlass, um uns ausführlich mit der extremen Rechten in Europa zu befassen. Während es in unserem letzten Europa-Schwerpunkt (LOTTA #67) auch um Europakonzeptionen und länderübergreifende Kooperationen neonazistischer bzw. neofaschistischer Gruppen ging, liegt diesmal der Fokus ausschließlich auf den Parteiformationen. Wir werfen einen Blick auf ausgewählte EU-Länder, fragen nach den Bedingungen für die Erfolge der Rechtsaußen-Parteien sowie den daraus folgenden politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Zudem werfen wir die Frage auf, ob diese Entwicklung perspektivisch zu einem Auseinanderbrechen der Europäischen Union führen könnte, weil „Exit“-Bestrebungen zunehmen oder weil mehrere extrem rechts regierte Mitgliedsländer eine Blockade-Formation bilden könnten.

Im Opener-Artikel fragen Pia Gomez und Torben Heine, inwiefern es den Rechtsaußen-Parteien gelingt, eine neue Allianz auf Ebene des EU-Parlaments oder der von ihnen regierten Mitgliedsländer zu knüpfen.

Jens Renner, ehemaliger Redakteur von analyse & kritik sowie jahrzehntelanger Beobachter der italienischen Verhältnisse, analysiert den Wahlerfolg von Melonis „Brüder Italiens“.  

Anna Diegelmann stellt dar, wie den Sverigedemokraterna der Aufstieg gelang, der es ihnen ermöglichte, zentrale politische Forderungen gegenüber der von ihr tolerierten Minderheitsregierung durchzusetzen.

An Ungarn und Polen kann beobachtet werden, wie Rechtsaußen-Regierungen ihre Form der „illiberalen Demokratie“ durchsetzen und insbesondere die Rechte gesellschaftlicher Minderheiten beschneiden. Jörg Kronauer bietet einen Länder-Vergleich. 

Rainer Roeser zeigt, wie sich die AfD in der europäischen Rechtsaußen-Landschaft positioniert, in der sie sich aufgrund ihrer „Dexit“-Forderung zunehmend isoliert.