Foto der Demonstration in Ramstein. Im Hintergrund sind Buchstaben zu sehen, die jeweils von Teilnehmenden getragen werden und das Wort "Frieden" ergeben.
Kai Schwerdt (CC-BY-NC)

„Wir werden kämpfen!“

Die Rechte und der Frieden in Ramstein

Bekannte extrem Rechte mobilisierten Jürgen Elsässers „Friedensbe­wegung 2.0“ nach Ramstein, um gegen die Air Base der US-Streitkräfte zu demonstrieren. Viel mehr geht es ihnen aber um ihre eigenen Ambitionen. Dafür beschwören sie eine „Querfront“, die in der Realität nicht existiert.

Bekannte extrem Rechte mobilisierten Jürgen Elsässers „Friedensbe­wegung 2.0“ nach Ramstein, um gegen die Air Base der US-Streitkräfte zu demonstrieren. Viel mehr geht es ihnen aber um ihre eigenen Ambitionen. Dafür beschwören sie eine „Querfront“, die in der Realität nicht existiert.

Am 26. Februar 2023 zog es rund 2.500 Menschen nach Ramstein-Miesenbach (Landkreis Kaiserslautern, Rheinland-Pfalz), um gegen die Militärbasis der U.S. Air Force zu demonstrieren. Die Aktion hob sich deutlich von der Demonstration tags zuvor in Berlin ab, bei der Friedensfreund:innen der Partei Die Linke, Vertreter:innen der Alternative für Deutschland (AfD) und vom Compact-Magazin anwesend waren. Anders als in Berlin tolerierten in Ramstein nicht vermeintliche Linke die Rechten. In Ramstein warben Rechte um eine „Querfront“ mit der Linken.

„Die Regierung muss weg!“

Der Versammlungsort Bushaltestelle ist überfüllt, Angereiste drängen auf die Straße, und die Polizei muss immer wieder Einzelne ermahnen, sich nicht vor fahrende Autos zu stellen. In dem ganzen Trubel gibt Wjatscheslaw Seewald am Straßenrand Interviews, während schwarz-weiß-rote Fahnen, Banner der Freien Sachsen, Patrioten Ostthüringen, Freien Thüringer und einer Bürgerinitiative gegen Fluglärm präsentiert werden. In der Menge tummeln sich Ricarda und Markus Walter, die rheinland-pfälzischen Landesvorsitzenden der NPD, zusammen mit dem Nationalen Widerstand Zweibrücken um Detlef Walk. Neonazi-Funktionär Sascha Wagner begleitet die Versammlung als Ordner. Einzig eine Frau mit Ukraine-Flagge widerspricht. Auf ihrem Pulli steht „Russia is a Terrorist State“. Markus Beisicht eröffnet die Veranstaltung. Anmelderin Elena Kolbasnikowa aus dem Kölner Raum spricht als erste, und das Publikum nutzt die Gelegenheit, anhaltend „Wir sind das Volk“ zu skandieren. Danach greift Beisicht zum Mikrofon und gibt einen Einblick, worum es an diesem Tag wirklich geht: „Die Regierung muss weg!“

„Unser Ziel ist Berlin!“

Definitiv ein Signal in Richtung „Querfront“ war der Auftritt von Ralph Niemeyer. Niemeyer trat 2017 aus der Partei Die Linke aus, um nach einem vierjährigen Zwischenspiel in der SPD in die teilweise antisemitische Basisdemokratische Partei Deutschland (dieBasis) einzutreten. Obwohl ihm die Demonstration in Berlin am Tag zuvor „nicht scharf genug“ war, beschwor er das Friedensmanifest von Sahra Wagenknecht (Die Linke) und Alice Schwarzer. Wie seine Ex-Ehefrau Wagenknecht stellte er Russland als Aggressor in Frage: „Putin hat den Krieg ausgelöst? Das ist doch Quatsch!“ Dem aus der AfD ausgetretenen ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, ging in Ramstein „das Herz auf“. Er machte deutlich, auf welcher Seite der Geschichte er gesehen werden will: „Sollte es wirklich noch einmal zu einem Krieg (…) kommen, dann werden wir kämpfen, ja! Aber unser Ziel wird nicht Moskau sein, unser Ziel ist Berlin!“

„Schicksalsgemeinschaft“ mit „Friedenskämpfern“

Dieter Bartsch aus dem Raum Aachen, ebenfalls ehemaliges Mitglied der AfD aus NRW und anschließend unter den Labeln der extrem rechten Gruppierungen Patriotic Opposition Europe und Klartext 20/21 unterwegs, verglich den Angriffskrieg auf die Ukraine mit dem Zweiten Weltkrieg und verdrehte die Kriegsschuld: „[…] denn dieser Krieg wurde nicht von deutschem Boden gestartet, sondern es war ein angeführter Krieg durch die Engländer und durch die Amerikaner“. Die Menge klatschte Beifall. Ebenso als der Heilpraktiker Gerhard Hildebrandt aus Düsseldorf im „Deutschlandlied Nummer 2“ auf der Bühne von „Gendern, offene[n] Grenzen und verschwiegenen Messermorden — das darf und soll nicht weitergehen“ sang. Die AfD-MdB Christina Baum aus Baden-Württemberg sieht sich als Mutter in einer „Schicksalsgemeinschaft“ mit „Friedenskämpfern“. Die Bundesregierung sei „nicht von uns gewählt und nicht legitimiert, in unserem Namen zu sprechen“. Als die Demonstration nach etwa einer Stunde loszieht, übernimmt Baum mit Beisicht das Frontbanner „Frieden schaffen ohne Waffen“. Dahinter trugen Poggenburg und der Geraer Neonazi Christian Klar das Themenbanner im Stil der Compact-Kampagne „Ami go home“. Zur Abschlusskundgebung grüßt Klar die Teilnehmenden mit „Hallo Patrioten“, nach ihm spricht der ehemalige Chefredakteur der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme, Karl Richter. In Ramstein lief damit die größte Demonstration der extremen Rechten in Rheinland-Pfalz seit den Kandel-Demonstrationen vor fünf Jahren. Unter Friedenstauben und Bannern der zu diesem Zeitpunkt noch nicht offiziell in HEIMAT! umbenannten NPD demonstrierten Friedensbewegte gemeinsam mit Neonazis, trommelnden Wutbürger*innen, Esoteriker*innen, Reichsbürger*innen und zahlreichen rechten Medienaktivist*innen.

Die Demo-Orga

Die Organisation hinter der Demonstration im Februar speiste sich aus verschiedenen Netzwerken. Markus Beisicht trat in Ramstein als Moderator in Erscheinung. Beisicht saß der extrem rechten, rassistischen und islamfeindlichen Regionalpartei Bürgerbewegung pro NRW vor, bis diese sich 2019 auflöste. Zuvor war er u.a. bei den Die Republikaner und der Deutschen Liga für Volk und Heimat aktiv gewesen. In Leverkusen, wo er bis heute im Stadtrat sitzt, baute er den Verein Aufbruch Leverkusen auf. Seit einigen Jahren arbeitet er eng mit André Poggenburg zusammen. Dieser hatte 2019 nach internen Machtkämpfen die AfD verlassen und zunächst die Partei Aufbruch Deutscher Patrioten — Mitteldeutschland gegründet, die er aber noch im selben Jahr wieder verließ. In Leverkusen verkündete er dann die Gründung der „bundesweiten Interessengemeinschaft“ Aufbruch Deutschland als Dachorganisation, möglicherweise um Gruppen wie den pro NRW-Nachfolger Aufbruch Leverkusen zu integrieren. Damit wird die Dachorganisation zum Auffangbecken für Verstoßene, ausgetretene AfD-Mitglieder, Neonazis und ihre Vereine. Poggenburgs zentraler Kontakt zu Neonazis ist Alexander Kurth aus Leipzig. Der berichtete schon als Poggenburgs Hofberichterstatter für den gemeinsamen Blog „Ungetrübt Media“ vom Neujahrsempfang 2020 von Aufbruch Leverkusen in Leverkusen, an dem auch Poggenburg teilnahm. Kurth führt häufig Interviews mit Poggenburg und Beisicht und dokumentiert gemeinsame Bühnenauftritte. Um den Jahreswechsel mobilisierte er in rheinland-pfälzischen Kanälen der „Querdenken“-Szene für die Demonstration in Ramstein. Dort stellte ihn der seit Jahrzehnten aktive Sascha Wagner (vgl. LOTTA #90, S. 30 f.) vor. Am Vorabend der Demonstration traf sich Wagner in der Gaststätte Kornkammer Bauer Schmidt in Weilerbach nahe Ramstein mit Beisicht, Poggenburg und der Anmelderin Elena Kolbasnikova.

„Judenstern“ in russischen Nationalfarben

Kolbasnikova hat seit dem Frühjahr 2022 zusammen mit ihrem Partner Maxim Schlund Kundgebungen und Autokorsos durchgeführt, hauptsächlich in Köln. Hinter ihren Veranstaltungen für Frieden steckt vordergründig eine Feindschaft gegenüber dem Westen, allen voran den USA. Sie ergreift vor diesem Hintergrund deutlich Partei für Wladimir Putins Russland. Sie leugnet den russischen Angriff und gibt stattdessen der Ukraine die Schuld an dem Krieg. Für ihre Aussage „Russland ist kein Aggressor. Russland hilft zurzeit, Krieg in der Ukraine zu beenden“ in Zusammenhang mit einem Autokorso am 8. Mai 2022 wurde sie am 6. Juni 2023 vom Kölner Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt. Sie hatte in den Augen des Gerichts den russischen Angriffskrieg gebilligt. Bei der Gerichtsverhandlung trat sie mit einem „Judenstern“ in den russischen Nationalfarben auf. Wegen derartiger Auftritte wurde sie in den Medien häufig als „Putin-Fangirl“ verniedlicht. Nach einer Recherche der Nachrichtenagentur Reuters ist Kolbasnikova jedoch eine von der russischen Botschaft protegierte Destabilisatorin, die zusammen mit Vertreter*innen der extremen Rechten Narrative der russischen Regierung in Deutschland verbreitet, um die Unterstützung der Ukraine zu unterminieren. Bestandteil dieser Recherche ist Schlunds Vergangenheit bei der russischen Luftwaffe, seine Verbindung zu den nationalistischen russischen Rockern Nachtwölfe und ihre gemeinsame Reise in den Donbas, wo sie Hilfsgüter an russische Truppen übergaben. In der Recherche geht es auch um Wjatscheslaw Seewald, der Videolektionen zum Kauf anbietet. In dem Video „Göttlich leben, aber wie?“ filmt er sich selbst unter einem Swastika sitzend.

Aufbruch nach Europa

Seewald, Kolbasnikova, Beisicht, Poggenburg und andere gründeten am 6. Mai 2023 die deutsch-russische Vereinigung Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit. Mit dieser planen sie, in das Europäische Parlament einzuziehen. In einer Presseerklärung nennt Beisicht unter anderem den Austritt aus der NATO und der Europäischen Union einen „fairen Ausgleich mit Russland (…) und Stopp aller Waffenlieferungen an die Ukraine“ als Anliegen der Vereinigung. Das tatsächliche Ziel dahinter dürfte deutlich profaner sein: ein bezahltes Mandat im EU-Parlament durch Russland-Propaganda, was wiederum die EU destabilisieren soll. Dafür beschwören sie eine „neue Deutsche Querfront-Friedensbewegung”. Einer, dem das Thema „Querfront“ sehr wichtig ist, ist Jürgen Elsässer, der zwar nicht persönlich in Ramstein war, aber von Poggenburg ein Grußwort ausrichten ließ. Die April-Ausgabe seines Compact-Magazins widmete er der Frage, „wie Rechte und Linke die Kriegstreiber stoppen können“. Elena Kolbasnikova ist als Rednerin für das nächste Compact-Sommerfest angekündigt, das auf dem Grundstück von Poggenburg stattfinden soll. Auch an anderer Stelle hat sich nach Ramstein eine Zusammenarbeit eingestellt: Das „Patriotische Netzwerk“ um Sascha Wagner und Michael Dangel (vgl. LOTTA #90, S. 30 f.) bewirbt einen Vortrag mit Jürgen Elsässer in extrem rechten Kanälen insbesondere der Querdenker*innen-Szene.

Fazit

In Ramstein lief die größte Demonstration seit 2018 in Rheinland-Pfalz, die klar von der extremen Rechten organisiert wurde, ohne antifaschistischen Gegenprotest. Stattdessen legte die Friedens-Kampagne Stopp Air Base Ramstein, die sich in ihrer Selbstbeschreibung als antifaschistisch und dem Schwur von Buchenwald verpflichtet sieht, ihre Flyer auf dem Infotisch neben einem Buch des Holocaustleugners Gerd Honsik und Compact aus. Die Teilnahme solcher Friedensaktivist*innen, die den offenen Schulterschluss mit Neonazis praktizieren, zeigt, wie rechts offen und definitiv nicht antifaschistisch sie sind. Sie werden ihre Teilnahme an dieser Demonstration gegenüber ihren tatsächlich antifaschistischen Bündnispartner*innen verantworten müssen. Zumal angesichts der zentralen Funktion bekannter Vertreter*innen der extremen Rechten — bis hinein in die offene Neonazi-Szene — und Unterstützer*innen des russischen Angriffskriegs sowie den propagierten Umsturzfantasien nebst Geschichtsrevisionismus kein Zweifel am Charakter der vermeintlichen Friedensveranstaltung bestanden haben dürfte.