Größte Neonazi-Wanderung Europas: Teilnehmer auf dem Weg zum Startpunkt des „Ausbruch 60"-Gedenkmarsches am 11. Februar 2023 in Budapest.
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Kein Spaziergang

Neonazistische Wander- und Leistungsmärsche

Mehrstündige, teilweise -tägige Leistungsmärsche haben in der neonazistischen Szene eine lange Tradition. Denn schließlich geht es darum, „unsere Mitglieder nicht nur geistig zu formen, sondern aus ihnen auch Kämpfer zu erziehen, die durch Herausforderungen und Grenzerfahrungen körperlich über sich Hinauswachsen“, so die „Jungen Nationalisten“ (JN) im Nachgang eines 50-km-Leistungsmarsches im April 2024 in Niedersachsen. Einige Schlaglichter auf den NS-Wanderkalender:

Gipfelsturm von „Wardon 21“

Einen Leistungsmarsch der etwas anderen Art führt die neonazistische Kampfsportgruppe Wardon 21 seit 2019 jährlich in den Alpen durch. Bei dem intern beworbenen „Gipfelsturm“ nehmen an die 20 Personen teil. Aber auch jenseits des Bergsteigens gehören Wanderungen zum Repertoire der sich elitär gebärdenden NS-Straight-Edge-Truppe. So führte Wardon 21 am 20. April 2019, zum 130. Geburtstag Adolf Hitlers, einen „Führermarsch“ im sächsischen Elbsandsteingebirge durch.

„Ausbruch 60“-Marsch

Im Zuge der Befreiung von Budapest durch die Rote Armee im Februar 1945 kam es zu einem versuchten Ausbruch von Einheiten ungarischer Faschisten und der Waffen-SS, bei dem mehrere tausend Soldaten ums Leben kamen. Zur Ehre dieser findet seit mehreren Jahren am zweiten Wochenende im Februar in Budapest der sogenannte Tag der Ehre statt. Zentraler Teil des „Gedenkens“ ist der „Ausbruch 60“-Marsch. Dieser hat sich zum größten Leistungsmarsch der europäischen Neonazi-Szene entwickelt. Erstmals im Jahr 2005 im kleinen Rahmen durchgeführt, nehmen in den letzten Jahren über 2.000 Personen, teilweise uniformiert, an dem NS-Reenactment teil. Die „Gedenk- und Wandertour“ zieht zahlreiche deutsche Teilnehmende spektrenübergreifend an. Neben dem 60 Kilometer langen Hauptmarsch existieren ein 35- und 25-Kilometer-Marsch.

„Tollensemarsch“

Seit 2004 findet am letzten Samstag im Februar mit rund 38 Kilometern um den Tollensesee in Neubrandenburg der sogenannte Tollensemarsch statt. Initiiert wurde der Marsch vom Kulturkreis Mecklenburg-Strelitz e.V., einem neonazistischen Tarnverein zur angeblichen Brauchtumspflege aus dem Umfeld der 2009 verbotenen Mecklenburgischen Aktionsfront. Vor dem Verbot der HDJ hatte der Tollensemarsch auch einen festen Platz in deren Terminkalender. Organisiert wird die NS-Wanderung maßgeblich von David Petereit aus Mecklenburg-Vorpommern.

„Erich-Priebke-Marsch“/Leistungsmärsche der JN

Unter der Schirmherrschaft der JN Niedersachsen organisierten Neonazis im Jahr 2010 den ersten „Erich-­Priebke-Marsch“. Der 50-km-Leistungsmarsch zu Ehren des SS-Kriegsverbrechers fand traditionell Ende März an verschiedenen Orten in Niedersachsen statt. Nachdem der Marsch aufgrund der Corona-Pandemie im Jahr 2020 ausfallen musste, ist nicht bekannt, ob der Name weitergeführt wird. Die JN zumindest bietet regelmäßig ihren Leistungsmarsch zur Erlangung des „JN Marschabzeichens“ an. So wurde am 19./20. April 2024 ein zweitägiger „Leistungsmarsch Bronze“ rund um das Steinhuder Meer bei Wunstorf durchgeführt.

„Der III. Weg“: „Hoch­sauerlandmarsch“/„Wanderung der Vögte“

Für die Partei Der III. Weg ist die Durchführung von Leistungsmärschen eine wichtigen Säule ihrer Aktivitäten. In NRW führte der Stützpunkt Sauerland/Siegerland am 7. Dezember 2024 den vierten „Hochsauerlandmarsch“ durch. Der jährlich stattfindende „Querfeldein-Marsch“ beinhaltete in den vergangenen Jahren Strecken von 35 bis 60 km. Zirka 50 Neonazis nehmen jährlich daran teil. Ein anderes Format ist die „Wanderung der Vögte“, welche in den letzten Jahren dreimal vom Stützpunkt Vogtland in Sachsen organisiert wurde. Bei der letzten Wanderung am 12. Oktober 2024 konnte eine Strecke von 20 Kilometern mit 500 Höhenmetern oder die große Runde mit 50 Kilometern und 1.400 Höhenmetern gewählt werden.

„Combat 18“-Leistungsmärsche

Im Zuge des Verbots von Combat 18 (C18) im Jahre 2020 kam zum Vorschein, dass das Absolvieren von Leistungsmärschen Teil des Aufnahmeprozesses für potenzielle Neumitglieder war. Maßgeblich verantwortlich soll dafür C18-Mitglied Robin Schmiemann gewesen sein, der die Märsche organisierte und durchführte.

„Siebenberge-Marsch“

Ab Mitte der 2000er Jahre war der „Siebenberge-Marsch“ im Januar festes Event für die Neonazi-Szene in der Region Bonn. Maßgeblich von Ralph Tegethoff und seiner Kameradschaft Sturm 08/12 organisiert, nahmen vornehmlich Neonazis aus der Region und den angrenzenden Regionen im Rheinland an dem 28 km langen Marsch teil. Der „Siebenberge-Marsch“ wird nur intern beworben und es finden sich nur selten Berichte. Im Jahr 2018 schwärmte Frank Kraemer von „44 wackeren Mitstreitern“, die alle Berge des Siebengebirges abgearbeitet hätten. 2020 meldetet auch Kategorie C-Sänger Hannes Ostendorf, den Marsch „erfolgreich bestanden“ zu haben.