Korporierte Jäger
Die „Deutsche Burschenschaft“ und die Jagd
Die Deutsche Burschenschaft (DB) macht aus ihrer Not eine Tugend. Dank kontinuierlicher antifaschistischer Recherche und journalistischen Veröffentlichungen, die in enormer Schlagzahl Skandale um die „Braunbuxen“ aufdeckten, mussten auch die Geheimdienste in ihrer Beurteilung nachziehen. So stieg die Anzahl der in den Ländern beobachteten Mitgliedsbünde, wo zuvor vorrangig einzelne Burschenschafter als rechtsextrem galten. Innerhalb kurzer Zeit wurden zum Beispiel die Marburger Burschenschaften Rheinfranken und Germania von den Verfassungsschutzbehörden als rechtsextrem eingestuft.
Insbesondere seit den Enthüllungen des extrem rechten Netzwerks um die Berliner Burschenschaft Gothia und ihren Alten Herren, den ehemaligen CDU-Politiker Peter Kurth, geraten zunehmend jene Burschenschafter unter Druck, die das Scharnier zu den konservativen, liberalen und sozialdemokratischen Parteien bilden. Auch der Nachwuchs aus diesen Milieus wird von einer allzu deutlichen extrem rechten Verortung von Burschenschaften eher abgeschreckt.
Doch die DB ist konflikterprobt. Man beschwört zum einen den internen Zusammenhalt im Lebens- und Männerbund, zum anderen setzt der offen völkische Teil unbeirrt die seit zehn Jahren erfolgreiche Strategie der Raumergreifung fort und versucht offensiv, passende Milieus zu umwerben. Dies zeigt sich an ihrer Teilnahme an der Messe „Jagd und Hund“ in Dortmund.
Den Köder auswerfen und Tretminen verteilen
Die sogenannte „Neue Rechte“ – der viele Burschenschafter zuzurechnen sind – beschreibt ihre Strategie als „metapolitisch“. Sie meinen damit das Wirken im Vor- und Umfeld von politischen Organisationen. Politische Ideen sollen potenziellen Zielgruppen über lebensweltliche Anknüpfungspunkte nähergebracht werden. Es geht weniger darum, konkrete politische Ziele und/oder Programmatik auszubuchstabieren, sondern eher darum, Gemeinsamkeiten oder gemeinsame Feindbilder zu etablieren. Die Hochzeiten der Identitären Bewegung und der Subkulturen, wo viele Burschenschafter aktiv waren und Mitglieder gewinnen wollten, sind vorbei. Auch der Kampfsport, der anderen extrem rechten Szenen mitunter ein anschlussfähiges Umfeld bietet, passt nicht recht zum burschenschaftlichen Leben. Doch mit den Bezugspunkten „Deutscher Wald“, Schutz und Bewahrung von „Heimat“ sowie Bewaffnung lässt sich arbeiten: Die Idee für die AG Jagd+Buxe in der DB war geboren.
Im Jahr 2023 schlossen sich eine Hand voll Burschenschafter unter anderem der Cimbria München und der Alten Halleschen Burschenschaft Rhenania-Salingia zu Düsseldorf zusammen, um mit Jäger*innen in Kontakt zu kommen und junge Jäger, sofern sie studieren wollten, zum Eintritt in die Burschenschaft zu bewegen.Kurzerhand meldete die AG 2024 einen Stand bei der „Jagd und Hund“, Europas größter Jagdmesse, in Dortmund an. Dafür griff die DB vermutlich tief in die Tasche. Es lassen sich auf der Homepage der Messen Standgebühren von mehreren tausend Euro errechnen.
Im Vorfeld ließ sich kaum Werbung für die Beteiligung an der Messe finden. Doch auch hier setzte die DB auf eine wohl erprobte rechte Strategie: Jede Presse ist gute Presse. Zahlreiche Artikel und Fernsehbeiträgen berichteten kritisch über die Messe und belegten die extrem rechten Aktivitäten und Verbindungen der Burschenschafter. Zugute kommt der DB dabei, dass sich der Bundesverfassungsschutz bisher beharrlich weigert, den gesamten Dachverband als extrem rechte Organisation anzuerkennen. Er spielt damit den rechten Netzwerkern in die Hände, die die Schwachstellen der Demokratie nur allzu gut kennen. Der Betreiber, die Messe Dortmund GmbH, ließ verlautbaren, ihm seien die Hände gebunden. Alle hätten das Recht bei der Messe auszustellen, solange sie keine geltenden Gesetze missachteten. Am Stand konnten die Burschen sich dann ganz menschlich zeigen und gleichzeitig beweisen, wie sie vom linken Mainstream ins falsche Licht gerückt würden.
Wenig Inhalt, aber Romantik
Ihren Erfolg von 2024 wiederholten sie in diesem Jahr, diesmal gänzlich ohne kritische Berichterstattung. Die Normalisierung war geglückt: Einfügen statt Auffallen. So passte der Stand, verziert mit der Abbildung eines Hirschs, ästhetisch gut ins Gesamtbild der Messe. Auf einem Bildschirm lief ein Film über das Burschenleben, die Verbandszeitung lag zum Blättern aus. Die Burschenschafter betreuten in ordentlicher Kleidung – natürlich mit Mütze und Band – den Stand, an dem dominant ein Plakat mit dem Wahlspruch der DB prangte: „Ehre, Freiheit, Vaterland.“ Ein konkreter Bezug der Burschenschaften zur Jagd wurde hier nicht hergestellt, die DB gab sich eher als selbstverständlicher Teil der Messe.
Über die Bezugspunkte zwischen Jagd und Burschenschaften erschienen später in den Burschenschaftlichen Blättern einige Artikel, die etwa die Parallelen zwischen der „Waidgerechtigkeit“ und der „burschenschaftlichen Ehre“ beschreiben: Tugenden, die nicht in die moderne Welt passen wollen, der Mythos „Deutscher Wald“, ein eigenes Vokabular: „Somit ist die Waidmannszunft auch eine Gemeinschaft, die sehr viel Wert auf Traditionen und Brauchtum legt. Bei der Jagd geht es aber nicht nur um das Hegen und Erlegen von Wildtieren, sondern auch um das Naturerlebnis, das in der modernen Zeit so selten geworden ist“, schreib der Bielefelder „Normanne“ Jan Ackermeier.
Gemeinsamkeiten im Weltbild
Ein großes Augenmerk wird auf die Entwicklung gemeinsamer Feindbilder gelegt. Über punktuelle gemeinsame Interessen wie die Kritik an der Verschärfung des Waffenrechts wird der Nährboden für die ideologische Annäherung geschaffen. So fordert der Marburger „Rheinfranke“ Björn Clemens mit Blick auf die „Gesinnungsjustiz“, sich an die Seite derer zu stellen, denen Waffen- und Jagderlaubnisse entzogen würden. Ebenso positioniert sich die AG Jagd+Buxe und unterstellt, dass „dem Jäger fortwährend mit unnötigen Waffenrechtsverschärfungen das Leben schwergemacht werden“ solle.
Eine Veröffentlichung auf der Seite des Deutschen Jagdportals stellt ihrerseits eine Nähe zu den Burschenschaften her. In einem Artikel, der nach der kritischen Berichterstattung 2024 die Beteiligung der DB an der Messe rechtfertigt, ist zu lesen, dass neben Förstern und Landwirten Verbindungsstudenten die größte Gruppe innerhalb der Jägerschaft darstellten: „In der Regel gehen 10–20 % der Mitglieder einer Verbindung zur Jagd“, heißt es dort. Es wird aber geflissentlich ignoriert, dass es eine Vielzahl unterschiedlicher Verbindungen neben den Burschenschaften gibt.
Die schreibende Jägerschaft verzichtet auf eine Abgrenzung von der extrem rechten DB. Stattdessen wird die Gemeinschaft der Burschenschaften und das Lebensbundprinzip in ein positives Licht gerückt und das gemeinsame Leid beschworen. Die Jägerschaft ebenso wie Verbindungen würden von „Mainstreammedien“ in eine rechte Ecke gerückt, hierdurch werde „eine Ausgrenzung von Andersdenkenden“ herbeigeführt. Bei der AG Jagd+Buxe klingt das so: „Der Jäger, welcher permanent einem links-gesellschaftlichen Druck ausgesetzt ist, wird zwangsläufig dadurch politisiert.“ In dieser Schnittmenge von Jägern und Burschenschaftern zeigen sich Aspekte eines Weltbildes, das sehr anschlussfähig an extrem rechte Ideologie ist. Ein archaisches Männlichkeitsbild wird mit Naturverbundenheit kombiniert, im Kern steht die Idee einer vermeintlich ursprünglichen Welt, die gegen Veränderung von außen zu schützen sei. Dies bietet eine ideale Projektionsfläche für das rassistische und antimoderne Gesellschaftsbild der DB. Gero Mielczarek, Kanzlist der Ferialen Jagdcorporation Freischütz, kürzt dies in seinem Beitrag in den Burschenschaftlichen Blättern runter auf „Naturschutz ist Heimatschutz“.
Milieus und gefährliche Realitäten
In der Tat scheint das Milieu der deutschen Jägerschaft grundsätzlich konservativ. Verlässliche Zahlen gibt es allerdings nicht. Eckart Lohse und Markus Wehner zeigten 2018 auf, dass unter den jagenden Abgeordneten im Bundestag lediglich zwei SPD-Mitglieder waren, der Rest verteilte sich nach rechts mit Hang zur AfD. Die Mitgliederbefragungen des Deutschen Jagdverbands zeigen eine naturverbundene, traditionsbewahrende Einstellung, Parteipräferenzen erhebt der Verband nicht. Allerdings unterstreichen die Publikationen und Forschungsvorhaben je nach Verband oder Vereinigung auch die Diversität in Interessen und sozialer Herkunft, die kritische Auseinandersetzung mit Umweltschutz und die steigende Zahl von Frauen, die einen Jagdschein erwerben.
Doch extrem rechte Kräfte – Burschenschafter wie AfD – versuchen strategisch, unter Jäger*innen an Einfluss zu gewinnen und sie als Zielgruppe zu erschließen. Die Jägerinnenschaft betrachtet sich und ihr Tun meist nicht als politisch und wenn extrem rechte Akteurinnen als „nette Menschen“ mit ähnlichen Interessen erlebt werden und ihre Vernichtungsphantasien abstrakt bleiben, kann diese Einflussnahme auch gelingen. Dann wird das Milieu der Jäger*innen Teil der rechten Hegemonie und beschleunigt den Prozess der Abschaffung der Demokratie von innen heraus. Nicht nur die Jägerschaft, auch Schützenvereine, das Militär und die Polizei sind im Fokus dieser extrem rechten Strategie. Jene bieten zudem die Möglichkeit, Grundwissen und -fertigkeiten im Umgang mit Waffen zu erlernen und eine Waffenbesitzkarte zu erlangen.
Heute der Wald, morgen die Universitäten
Diese Art der Mitgliedergewinnung wird in den Burschenschaftlichen Blättern fast schon als ein revolutionärer Wandel gepriesen, der sich „gegen Zweifel und eingerostete Ansichten durchsetzen mußte“. Das Werben auf der Messe wird ergänzend zum lokalen und individuellen Werben um Nachwuchs als „aktives Keilen“ bezeichnet und soll vor allem mit Öffentlichkeitsarbeit kombiniert werden. So werden bereits weitere Auftritte bei der Jagdmesse angekündigt.
Auch „soll sie [die AG Jagd+Buxe] einen Anstoß für neue Initiativen in Sachen Strategiewechsel bei der Nachwuchsgewinnung geben.“ Künftig sollen sich offenbar „verschiedene AGs mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Einsatzbereichen entwickeln“. Mit der AG Campus-Initative folgte der Ankündigung bereits im Frühjahr 2024 eine weitere Initiative, die es „sich zum Auftrag gemacht hat, die linke Alleinherrschaft streitig zu machen und die burschenschaftliche Präsenz auf den Campus zurückzubringen“. Es dürfte somit deutlich werden, dass die Burschenschaften der DB auch künftig versuchen werden, über die Ausweitung der genau gleichen Strategie andere Milieus für sich zu gewinnen.