Markus Krall (links) auf der Frankfurter Buchmesse 2019.
NearEMPTiness (CC BY-SA 4.0)

Hetzer im Geldrausch

Die eigennützige und antidemokratische Politik rechter Finanzakteure

Seit Jahren arbeiten (extrem) rechte Akteure aus der Finanz- und Edelmetallbranche daran, ihr gesellschaftliches Profil zu erweitern. Sie beschwören apokalyptische Untergangsszenarien, die den Verlust von Privatvermögen und der bürgerlichen Freiheit durch eine finstere internationale Verschwörung vorhersagen, um zugleich ihre eigenen Finanzdienstleistungen zu bewerben. Vermeintliche Finanzexpertise, autoritäre Politikvorstellungen, Rassismus und Sexismus erweisen sich als potente Mischung, welche durch die Corona-Krise zusätzlich begünstigt wird.

Seit Jahren arbeiten (extrem) rechte Akteure aus der Finanz- und Edelmetallbranche daran, ihr gesellschaftliches Profil zu erweitern. Sie beschwören apokalyptische Untergangsszenarien, die den Verlust von Privatvermögen und der bürgerlichen Freiheit durch eine finstere internationale Verschwörung vorhersagen, um zugleich ihre eigenen Finanzdienstleistungen zu bewerben. Vermeintliche Finanzexpertise, autoritäre Politikvorstellungen, Rassismus und Sexismus erweisen sich als potente Mischung, welche durch die Corona-Krise zusätzlich begünstigt wird.„Die Ziele sind […], uns zu entmündigen, uns komplett in das System hineinzuzwingen“, ruft der Vermögensverwalter Max Otte, Gründer des Instituts für Vermögensentwicklung, 200 Personen zu, die sich im Mai 2016 an der Frankfurter Hauptwache für eine Kundgebung gegen die vermeintlich drohende Abschaffung des Bargelds zusammengefunden haben. Dann packt er seine Gitarre aus und stimmt Reinhard Meys Klassiker „Sei wachsam“ an. Thorsten Schulte, ehemaliger Investmentbanker und Kundgebungsorganisator („Silberjunge“, siehe LOTTA #71, S. 45 f.), steht neben ihm und genießt sichtbar den Auftritt seines „guten Freundes“, der sich hier als nahbarer „Mann des Volkes“ inszeniert und nebenbei versucht, Exemplare seines neuen Buchs zu verkaufen.

Das beschriebene populistische Schauspiel diente der Selbstinszenierung durch elitäre Männer aus der Finanzbranche als volksnahe politische Anführer und zeitgleich der Vermarktung ihrer angeblichen Finanzexpertisen. Denn beide bieten neben ihren Büchern als Privatunternehmer Finanztipps bis hin zu Investmentfonds an. Diese Verbindung von Politik und privatwirtschaftlichem Interesse ist bei einer Vielzahl derzeit breit rezipierter (extrem) rechter Persönlichkeiten wiederzufinden, die Teil eines einflussreichen Netzwerks sind.

„Crash-Prophet“ und Aufwiegler

„Freiheit oder Sozialismus“ ist laut Markus Krall die Schicksalsfrage unserer Zeit, wie er bei seinen zahlreichen Vorträgen in der Bundesrepublik stets betont. Für ihn ist Freiheit gleichzusetzen mit der Freiheit des Kapitals, während jede staatliche Regulierung der Wirtschaft als Sozialismus gilt. So mutiert selbst die CDU unter Angela Merkel zu einer „sozialistischen“ Partei. Krall selbst war bis 2012 Mitglied der CDU. In seinen Vorträgen fordert er die Streichung wirtschaftlicher Regulierungen und sozialer Leistungen, damit der Staat seine Ausgaben auf den Ausbau der Polizeibehörden und des Militärs konzentrieren könne, um sich vor der vermeintlichen Gefahr der „illegalen Einwanderung“ und einer „muslimischen Verschwörung“ in Europa zu wappnen.

Zugleich soll allen, die staatliche Sozialgelder erhalten, das Wahlrecht entzogen und die „Scheindemokratie“ der heutigen Bundesrepublik durch eine „bürgerliche Revolution“ abgeschafft werden. Danach soll wahlweise eine vermeintliche Leistungselite die Herrschaft übernehmen oder eine konstitutionelle Monarchie eingeführt werden. Die Zeit für die Abschaffung der demokratischen Verfassung durch den Aufbau einer parteiunabhängigen Bewegung und Miliz sieht er immer näher rücken, da es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Wirtschaft auf Grund der derzeitigen „sozialistischen Politik“ zusammenbreche. Praktischerweise hat Krall den „Crash“ für 2020 prognostiziert und kann sich nun durch die von der Corona-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise als Prophet inszenieren.

Der Goldhändler und sein Mäzen

Seit September 2019 ist Krall Geschäftsführer der Degussa Sonne/Mond Goldhandel GmbH in Frankfurt. Das Unternehmen eröffnete im Mai 2019 die Goldkammer Frankfurt, ein Museum über die Geschichte des Goldes, um hierüber öffentlich zu wirken. Für Krall lohnt sich die Verbreitung apokalyptischer Szenarien, da er zugleich suggeriert, Gold sei eine sichere Geldanlage. So nutzt er seine politische Propaganda auch, um seinen Umsatz zu erhöhen. Entsprechend lädt er in diesem Sinne seit Mai 2020 zu privaten Führungen und Abendessen in die Goldkammer ein. Da seiner Ansicht nach Einkommen und Intelligenz unweigerlich miteinander verbunden sind, möchte Krall vor allem reiche Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewinnen. Tickets kosten daher 1.449 Euro.

Degussa gehört der Milliardärsfamilie von Finck, deren Patriarch August von Finck jr. ist. August von Finck sr. übernahm im Zuge der systematischen Enteignung europäischer Jüdinnen* und Juden* während der Shoa mit seiner Bank Merck Finck & Co. zahlreiche jüdische Banken. 2010 erwarb von Finck jr. die Namensrechte für die Edelmetallsparte von Degussa: der ehemalige Chemiekonzern mit Sitz in Frankfurt war Hauptaktionär der Degesch, die Zyklon B für die Vernichtungslager herstellte, und verarbeitete das von Holocaustopfern geraubte Gold, wie etwa Goldzähne.

Durch die familieneigene Substantia AG (SAG) mit Sitz in München sind die von Fincks heute unter anderem Mehrheitseigner des Mövenpick-Hotelkonzerns. Auf Spenden der SAG an die FDP und CSU in den Jahren 2008 und 2009 folgte eine Reduzierung der Mehrwertsteuer für Hotels. Laut einem Bericht des Der Spiegel war Degussa, die ihren Firmensitz mit der SAG teilt, Hauptlieferant des Goldes, das die AfD zwischen 2014 und 2017 verkaufte. Außerdem soll von Finck jr. AfD-Wahlkämpfe über David Bendels’ Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten und Dagmar Metzgers PR-Agentur wordstatt GmbH finanziert haben. Metzger, bis 2014 Pressesprecherin der AfD, spendete mindestens 35.000 Euro an die Partei. Seit Februar 2020 ist Wolfgang Lazik, zuvor Amtschef des bayrischen Finanzministeriums unter Führung von Markus Söder, Geschäftsführer der SAG.

Vereine, Stiftungen, Privatunternehmen

Das rechte Finanznetzwerk nutzt für ihr politisches Wirken eine Vielzahl an Vereinen und Stiftungen, die auffällige Überschneidungen zu Privatunternehmen haben. Dagmar Metzger, einst Mitglied der FDP, gründete 2014 zeitgleich die Münchener Stiftung für Freiheit und Vernunft (SFV) und mit Alexander Dilger, ehemals Landesvorsitzender der AfD Nordrhein-Westfalen, die Liberale Vereinigung. Thorsten Schulte gründete nach seinem CDU-Austritt 2015 den Bautzener Verein Pro Bargeld e.V. und kooperierte mit der SFV für die Kundgebungsreihe in Frankfurt. Max Otte, Mitglied der WerteUnion der CDU, ist seit 2018 Kuratoriumsvorsitzender der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES).

Thorsten Polleit, Verfasser des Degussa-Rundbriefs und Honorarprofessor an der Universität Bayreuth, ist seit Gründung im Jahr 2012 Präsident des Ludwig von Mises Instituts (LMI), eine Untergruppe der US-amerikanischen Denkfabrik Mises Institute. Hierüber verbreiteten die Gründer Lew Rockwell, Burton Blumert und Murray Rothbard ihre „paläolibertären“ Theorien, die konservative Sozialpolitik und Marktradikalismus miteinander verbinden. Seinen Sitz teilt das LMI mit der SAG und Degussa.

Der 2019 gegründeten Frankfurter Atlas Initiative (AI) von Markus Krall attestiert der Soziologe Andreas Kemper, der eine ausführliche Analyse der AI und des LMI veröffentlicht hat, den „Sturz der Regierung“ anzustreben. Der Name der Initiative leitet sich vom Roman „Atlas Shrugged“ (1957) der US-Amerikanerin Ayn Rand und deren Theorie des „Objektivismus“ ab. Hierbei wird bürgerlicher Egoismus zur Gesellschaftsräson erhoben: Jegliche sozialen Leistungen und Regulierungen des Staates sollen abgeschafft und das gesellschaftliche Zusammenleben allein von kapitalistischen Marktprinzipien bestimmt werden. Rand selbst war übrigens an ihrem Lebensabend auf staatliche Sozialleistungen angewiesen. Der Rundbrief der AI wurde zunächst vom ehemaligen FDP-Politiker Fritz Goergen (Tichys Einblick) und dem örtlichen Finanzdienstleister Markus Ross (CEROS Consulting GmbH) herausgegeben. Sitz der AI war bis Juni 2020 die örtliche Galerie des DES-Kuratoriumsmitglieds Thomas Punzmann. Werbefilme der AI werden dort mit dem Rechtsanwalt Hanns-Christian Salger gedreht, Honorarprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt. Zum rechten Frankfurter Verleger Roland Tichy (Tichys Einblick) unterhält Krall gute Kontakte.

Die Verlage

Rechte Finanzakteure sind häufig erfolgreiche Autoren, die rechte Propaganda und Finanzratschläge miteinander verbinden. Ein Beispiel: In seinem vom Kopp Verlag verlegten Bestseller „Kontrollverlust“ raunt Thorsten Schulte über „die Globalisten“ und die „Asyl-Industrie“, schwärmt über seine Freundschaft mit Max Otte und rät zu Investitionen in Edelmetalle, insbesondere Silber, um den angeblich nahenden Zusammenbruch der Gesellschaft zu überstehen. Ähnliche Bücher publizierten in der Rubrik Finanzwelt bei Kopp unter anderem Eberhard Hamer (Mittelstandsinitiative Niedersachsen, MN), Eike Hamer von Valtier (MN und ELUX Wealth Management GmbH), Peter Boehringer (MdB AfD, Vorsitzender des Haushaltsausschusses), Günter Hannich (Crash Investor) und Bruno Bandulet (Gold&Money Intelligence). Zu den bekannten Autoren, die im Finanzbuchverlag publizieren, zählen Markus Krall, Max Otte, Florian Homm sowie Aaron Koenig, der den Bereich der Kryptowährungen abdeckt.

Die Konferenzen

Das Netzwerk der rechten Finanzakteure lebt von ihrer Selbstbezogenheit. Max Otte trat bei Thorsten Schultes Pro Bargeld-Kundgebungsreihe auf und lud wiederum Markus Krall mehrmals zu seiner jährlichen Konferenz Neues Hambacher Fest als Redner ein. Bei Tichys Einblick diskutieren Max Otte und Markus Krall über die Wirtschaft. Beim World of Value Kongress traten Schulte und insbesondere Krall exponiert auf. Der Oberurseler Florian Homm organisiert seit 2018 diese rechte Finanzkonferenz in Frankfurt, der Eintritt kostet zwischen 300 und 500 Euro. Homm entzieht sich seit Jahren einem Haftbefehl des FBI wegen Wertpapierbetrugs und Geldwäsche in den USA. Bei der Konferenz lacht Homm mit seinem Publikum über den Betrug, denn auch sie bekommen von Homm, Krall und Markus Elsässer Rat zur „Vermögenssicherung“ im Ausland.

Fehlende Frauen

Frauen sind innerhalb dieses Netzwerks auffällig unterrepräsentiert. Hier zeigen sich sexistische Machtverhältnisse deutlich: Das Kapital ist weiterhin mehrheitlich in Besitz von Männern, im Finanzwesen ist nur ein verschwindend geringer Anteil Frauen in Führungspositionen.

Für Markus Krall ist die ideale Rolle der Frau die der Hausfrau und Mutter. Florian Homm erzählt gerne in Playboy-Manier von seiner langjährigen Beauftragung von Sexarbeiterinnen*, zugleich versucht er über den von ihm gegründeten obskuren katholischen Verein OLMOMS e.V. sein Image zu dem eines inspirierenden Wohltäters zu wandeln. Ein Interview mit der Autorin Karoline Lehner (YouTube-Kanal „Nackte Poesie“) als Moderatorin einer Videoserie für das Kryptowährungsunternehmen Dash bewirbt Aaron Koenig auf Twitter mit einem Bild von ihr in Reizwäsche — und ohne Gesicht. Im Interview eingebettet ist ein Video, in dem Lehner mit tiefem Ausschnitt „Der Waldgang“ von Ernst Jünger liest. Für Frauen ist in diesem männerdominierten Netzwerk meist nur Platz, wenn sie für finanziellen Gewinn und (extrem) rechte Politik ausgebeutet werden können.

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